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Angelique und der Koenig

Angelique und der Koenig

Titel: Angelique und der Koenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Golon
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Bezirks Marais, rufen, die ihr von mehreren befreundeten Damen der höchsten Gesellschaft empfohlen worden war. Madame Cordet besaß das nötige Maß an Resolutheit und Biederkeit, um eine anspruchsvolle Kundschaft zufriedenzustellen. Sie wurde von zwei Hilfskräften eskortiert, was ihr einige Gewichtigkeit verlieh. Vor den Kamin ließ sie eine große Tischplatte auf zwei Böcke stellen, an der man, wie sie sagte, »bequemer arbeiten« werde. Ein Kohlenbecken wurde hereingetragen, um die Zimmertemperatur zu erhöhen. Die Mägde wickelten Scharpiebinden und brachten in kupfernen Wannen Wasser zum Kochen. Madame Cordet streute Kräuter hinein, und der Raum füllte sich mit Wohlgerüchen, so dass man sich in einer von der Sommersonne beschienenen Heidelandschaft glaubte. Unfähig, in ihrem Bett zu bleiben, ging Angélique hin und her und stellte sich schließlich ans Fenster, um auf die weiße, schneegepolsterte Straße hinunterzusehen. Durch die kleinen, in Blei gefassten Scheiben waren die verschwimmenden Silhouetten einiger Passanten zu erkennen. Eine schwankende Kutsche bahnte sich mühsam einen Weg, und der Atem der vier Pferde entwich in bläulichen Wolken in die kristallklare Luft. Der Insasse der Kutsche schrie aus dem Fenster. Der Kutscher fluchte. Die Weiber lachten. Es war der Morgen nach Dreikönig, dem Festtag, den man wie üblich mit riesigen Fladen und vielen Humpen trefflichen roten und weißen Weines begangen hatte. Ganz Paris hatte noch heisere Kehlen vom vielen Schreien.
Auch im Hôtel du Beautreillis hatte man tüchtig gefeiert, wie es sich gehörte, rings um Florimond, den kleinen Bohnenkönig*, (*Bohnenkönig ist derjenige, der am Dreikönigsfest eine Bohne in seinem Stück Kuchen findet.) der mit einer goldenen Papierkrone gekrönt worden war und sein Glas unter fröhlichen Vivats gehoben hatte. Heute war jedermann müde und gähnte – also nicht eben der geeignetste Tag, ein Kind zur Welt zu bringen! Um ihrer Ungeduld Herr zu werden, erkundigte sich Angélique nach häuslichen Kleinigkeiten. Hatte man alle Reste für die Armen zusammengesucht? Ja, vier Körbe voll waren heute früh vor dem Portal an die Krückengänger des Viertels verteilt worden. Hatte man die Tischtücher eingeweicht, das Geschirr aufgeräumt, Löffel und Gabeln in Kleiwasser gewaschen und die Messer mit Heuasche gescheuert…? Madame Cordet bemühte sich, ihre Patientin zu beruhigen. Was brauche sie sich um solche Kleinigkeiten zu kümmern? Ihr Hausgesinde sei groß genug, so dass sie derlei Sorgen ruhig dem Haushofmeister überlassen könne. Sie habe an anderes zu denken. Aber eben daran wollte Angélique nicht denken.
»Man sollte nicht meinen, dass Ihr Euer drittes Kind erwartet«, bemerkte die Hebamme mürrisch.
»Ihr macht soviel Theater, als sei es das erste.«
Freilich, damals hatte sie weniger Theater gemacht. Sie sah sich im Augenblick von Florimonds Geburt, als junge, verängstigte, aber dennoch keinen Laut von sich gebende Mutter. Damals war sie sehr viel mutiger gewesen. Sie hatte Kraftreserven besessen, die der jungen Tiere, die noch nichts erlebt haben und sich für unbesiegbar halten. Inzwischen waren ihre Nerven schwach geworden.
»Das kommt daher, dass das Kind kräftig ist«, seufzte sie. »Die andern waren nicht so kräftig…«
»Ach was! Das könnt Ihr mir nicht erzählen. Ich bin Eurem Jüngsten im Vorzimmer begegnet. Stramm, wie er heute ist, war es für Euch bestimmt auch kein Spaß, als er die Nase herausstreckte.«
Cantors Geburt…! Es war ein stinkendes, dunkles und eisiges Loch gewesen, in dem sie die grausigsten Schmerzen erduldet hatte. Doch während sie an das Hôtel-Dieu dachte, in dem so viele kleine Wesen ihren ersten Schrei auf Erden ausstießen, begann sich Angélique ihrer Jeremiaden zu schämen. Das aus fernen Zeiten heraufgestiegene Schreckensbild brachte sie zur Vernunft…
Als die Wehen häufiger und stärker wurden, hieß Madame Cordet sie sich auf den Tisch vor dem Feuer legen. Die junge Frau unterdrückte ihr Stöhnen nicht mehr. Es war der heikle und bange Augenblick, in dem die sich lösende Frucht die Wurzeln des Baumes auszureißen scheint, die sie getragen hat. Angéliques Ohren dröhnten unter dem Ansturm der schmerzenden Wogen. Sie glaubte, draußen Lärm zu hören. Eine Tür wurde zugeschlagen. Die Stimme Thérèses ließ sich vernehmen: »Oh, der Herr Marquis!«
Sie begriff erst, als sie Philippe an ihrem Lager stehen sah, in seinem Hofrock mit Degen, seinen rieselnden

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