Angelique und der Koenig
triumphiert nicht zu früh. Im Augenblick seid Ihr in meiner Gewalt.«
Angélique nahm sich Zeit, sich mit ihren Söhnen, deren Betreuern und den wenigen Bediensteten, die sie bei sich zu haben wünschte, unter dem Dach ihres Mannes einzurichten. Das Palais war düster, ihm fehlte die frische Anmut des Hôtels du Beautreillis. Aber sie fand in ihm eine reizende Zimmerflucht im besten modernen Stil. La Violette sagte ihr, dieses Appartement sei früher von der verwitweten Marquise bewohnt worden, der Herr Marquis habe es jedoch vor ein paar Monaten völlig neu tapezieren lassen.
Angélique war verwundert, wagte aber nicht zu fragen, für wen.
Bald darauf veranlasste sie die Einladung des Königs zu einem großen Ball in Versailles, ihr neues Heim zu verlassen. Für eine vornehme, mit zwei Ämtern betraute Dame des Hofs hatte sie den Familienpflichten mehr als genügend Zeit geopfert. Nun musste sie sich wieder dem gesellschaftlichen Leben widmen, wie auch Philippe es tat. Seitdem sie bei ihm wohnte, hatte sie ihn noch seltener als vordem gesehen, und da sie merkte, dass sich der Abend am Kamin nicht so bald wiederholen würde, begab sich Angélique wieder auf den Weg nach Versailles. Abends, als es Zeit für den Ball wurde, hatte sie größte Mühe, einen Winkel zu finden, wo sie sich umziehen konnte. Es war das die ewige Sorge der Damen, die sich nur vorübergehend in Versailles aufhielten. Jedenfalls jener, die noch der Tugend der Schamhaftigkeit huldigten. Für so manche andere war es ein willkommener Vorwand, sich lüsternen Blicken darzubieten.
Angélique fand Zuflucht in einem kleinen Vorzimmer, das zu den Räumen der Königin gehörte. Madame du Roure und sie waren einander behilflich, da ihre Zofen unauffindbar blieben. Auf dem Flur herrschte lebhaftes Kommen und Gehen. Hereinschauende Edelleute warfen ihnen zweideutige Scherzworte zu, einige boten sogar galant ihre Dienste an.
»Lasst uns in Frieden, Ihr Herren«, protestierte Madame du Roure. »Wir werden Euretwegen noch zu spät kommen, und Ihr wisst, wie wenig der König das schätzt.«
Während ihre Gefährtin in den umliegenden Räumen nach Stecknadeln fahndete, blieb Angélique eine Weile allein und nutzte das, um ihre Seidenstrümpfe zu befestigen. Plötzlich umschlang ein kräftiger Arm ihre Taille und drängte sie auf ein kleines Ruhebett. Ein gieriger Mund heftete sich an ihren Hals. Sich heftig wehrend, stieß sie einen Schrei aus, und sobald sie sich zu befreien vermochte, versetzte sie dem Unverschämten eine schallende Ohrfeige. Ein zweites Mal holte sie nicht aus – wie versteinert stand sie vor dem König, der sich die Wange hielt. »Ich... ich wusste nicht, dass Ihr es wart«, stammelte sie.
»Ich wusste auch nicht, dass Ihr es wart«, meinte er verdrossen, »noch dass Ihr so schöne Beine habt. Warum, zum Teufel, befördert Ihr sie ans Licht, wenn Ihr Euch hinterher ärgert?«
»Wie konnte ich meine Strümpfe überstreifen, ohne meine Beine zu zeigen?«
»Und warum kommt Ihr zu diesem Zweck ins Vorzimmer der Königin, wenn nicht, um Eure Beine zu zeigen?«
»Ganz einfach, weil ich keinen anderen Winkel fand, in dem ich mich hätte zurechtmachen können.«
»Wollt Ihr etwa behaupten, Versailles sei nicht groß genug für Eure kostbare Person?«
»Vielleicht. Es ist weitläufig, aber es fehlen ihm Kulissen. Kostbar oder nicht, meine Person muss auf der Bühne bleiben.«
»Und das ist alles, was Ihr zur Entschuldigung Eures unqualifizierbaren Benehmens vorzubringen habt?«
»Und das ist alles zur Entschuldigung des Euren, das nicht minder unqualifizierbar ist?«
Angélique richtete sich auf und zupfte nervös an ihren Röcken. Sie war wütend. Doch als sie die reichlich betretene Miene des Monarchen bemerkte, gewann sie ihren Sinn für Humor zurück. Sie musste lächeln. Des Königs Züge entspannten sich.
»Bagatellchen, ich bin ein Dummkopf!«
»Und ich... bin zu schroff.«
»Ja, eine wilde Blume! Glaubt mir, wenn ich geahnt hätte, wen ich da vor mir habe, wäre ich nicht so stürmisch gewesen. Aber als ich hereinkam, sah ich nur einen bloßen Nacken und, meiner Treu, zwei bewundernswerte und... ungemein anziehende Beine.«
Angélique sah ihn von der Seite an – mit der nachsichtigen und vergnügten Miene, mit der eine Frau einem Manne bedeuten will, dass sie ihm nicht übermäßig böse ist, vorausgesetzt, dass er es bei seinen vergangenen Sünden belässt. Selbst der König hatte das Recht, sich angesichts dieses Lächelns wie ein
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