Angels - Meine Rache waehrt ewig
schon bald hatte sie den Dreh raus und klinkte sich aus einigen aus, die offenbar am Thema vorbeigingen. Was sie brauchte, waren Chat-Partner aus Baton Rouge oder zumindest aus Louisiana. Anhand der Screennames ließ sich das nicht feststellen, und soweit sie es beurteilen konnte, mochten sie von überall her stammen.
Es war wie die Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen.
Endlich kam die Rede in dem intellektuell anmutenden Chatroom auf den All Saints Campus und auf Vampirismus.
»Bingo«, flüsterte Kristi so leise, als würde sie fürchten, die anderen Gesprächsteilnehmer könnten sie hören. Zum Glück waren ihr Laptop-Mikrofon und die Kamera abgeschaltet. Sie konnte ihr Glück kaum fassen. Irgendjemand mit Namen Dracoola lebte ganz in der Nähe. Oder stand zumindest in Verbindung mit dem College.
Sie wartete. Lauernd. Versuchte, zwischen den Zeilen zu lesen, ging sogar so weit, sich die verschiedenen Persönlichkeiten vorzustellen, von denen viele ihre eigenen Icons einspeisten. Blutstropfen, Vampirzähne und Fledermäuse schienen zu den Favoriten zu zählen. Leute klickten sich ein und wieder aus, aber manche der Chatter schienen die ganze Nacht über online zu bleiben. Einer von ihnen war JustO, der Dr. Grottos Seminar erwähnt hatte.
Kristi verspürte einen Anflug von Erregung. Sie kam der Sache näher.
Rasch notierte sie die Screennames von Dracoola, JustO, Carnivore 18 , Sxyvmp 21 , Deathmater 7 und Dmin 8 trxxx. »Schsch«, sagte sie zu der Katze, die abrupt auf ihrem Weg zum Futternapf innehielt. »Wer
sind
diese Leute?« Houdini drückte sich an die Wand, die Muskeln angespannt.
Kristi überlegte, die Rede auf die vermissten Mädchen zu bringen, aber das Gespräch ging gar nicht in diese Richtung, und sie wollte es sich nicht mit den Wahnsinnigen verderben, die ihre Nächte am Computer verbrachten, um sich mit Fremden über Blut und Vampire und ein Leben im Jenseits auszutauschen. Sie überließ es den anderen, das Gespräch weiterzuführen. Einer der später Hinzugekommenen hatte den Screennamen DrDoNoGood. Irgendetwas an seinen Bemerkungen störte sie, irgendetwas, das ihr bekannt vorkam.
Kannte sie den Kerl?
Oder handelte es sich um eine Frau?
Einen Doktor der Medizin? Einen Möchtegern-Doktor? Einen Dr. phil.? Einen James Bond/Ian Fleming-Fanatiker, dessen Name ein Spiel mit dem Filmtitel
Dr. No
war?
Er stellte eine weitere Frage – und sie erstarrte. Genau dieselbe Frage hatte sie in ihren Unterlagen zu dem Seminar von Dr. Grotto gefunden.
Konnte DrDoNoGood ein Cybernet-Alias für Dr. Dominic Grotto sein?
Ihre Gedanken rasten. Was hatte sein Name zu bedeuten? Oder zog sie zu dieser späten Stunde lediglich falsche Schlüsse? Oder …
Dann las sie nur die Anfangsbuchstaben des Screenname: DDNG oder DrDNG.
Begann Grottos zweiter Vorname nicht mit einem N? Hatte sie ihn nicht schon irgendwo gelesen? Auf irgendeinem Papier, das sie von dem College bekommen hatte?
Sie richtete ihre Aufmerksamkeit abwechselnd auf den Bildschirm und das Bücherregal über ihrem Schreibtisch und entdeckte den Kursleitfaden fürs College, abgegriffen und voller Eselsohren. Sie schlug ihn bei dem Abschnitt über das Lehrpersonal auf. »Komm schon, komm schon«, murmelte sie und schaffte es kaum, parallel die online stattfindende Diskussion über das Ritual des Bluttrinkens und den dazugehörigen Geschlechtsakt mitzuverfolgen.
»Igitt.« Sie schauderte. »Nein danke.« Sie blätterte die Seiten durch und stieß endlich auf Dr. Grottos Foto. Er sah verdammt gut aus. Durchdringende Augen, markantes Kinn, hohe Stirn und dunkles Haar. Unter dem Foto stand: Dominic Nicolai Grotto, Dr. phil.
Konnte das sein?
Waren DrDoNoGood und Dr. Dominic Nicolai Grotto ein und derselbe?
Kristi verspürte einen Ruck, dasselbe Bauchgefühl wie ihr Vater, wenn er auf einen Hinweis in dem verworrenen Spiel eines gemeingefährlichen Psychopathen stieß.
»Wie der Vater, so die Tochter«, sagte sie zu sich selbst, während sie eine unverfängliche Frage zum Seminar stellte.
Sie fragte sich, ob es die Möglichkeit gab, die Identität von DDNG aufzudecken, irgendeinen Weg, ihn aufzustöbern. Vielleicht konnte sie seine Eitelkeit nutzen, sich über ihn als Dozenten beschweren und abwarten, was passierte.
Sie verfolgte weiter die Diskussion und zog ihre Seminarunterlagen heraus. Wenn sie ihn zitierte, würde sie vielleicht eine Antwort bekommen … Und wenn sie etwas in der Art über ihn sagte, dass er mehr
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