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Angerichtet

Angerichtet

Titel: Angerichtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Koch
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ich auf die Traube mit den Beeren gezeigt. »Sind das vielleicht Johannisbeeren?«, hatte ich gefragt.
    Serge hatte bereits mit der Gabel in seine Tournedos gestochen. Er machte Anstalten, ein Stück davon abzuschneiden, seine rechte Hand mit dem scharf gezackten Messer schwebte bereits über dem Teller. Der Maître d’hôtel hatte sich schon halb von unserem Tisch abgewendet, doch jetzt drehte er sich wieder um. Während sein kleiner Finger sich den Trauben näherte, verfolgte ich Serges Mimik.
    Vor allem strahlte er Ungeduld aus. Ungeduld und Verärgerung über die erneute Verzögerung. Er hatte keine Bedenken gehabt, in Claires und Babettes Abwesenheit mit seinem Steak anzufangen, aber er fand den Gedanken unverdaulich, mit den Zähnen in das Fleisch zu fahren, solange sich noch eine fremde Hand in der Nähe unserer Teller befand.
    »Was sollte das denn jetzt mit den Beeren?«, monierte er, als der Maître d’hôtel endlich gegangen war und wir wieder zu zweit waren. »Seit wann interessierst du dich für Beeren?«
    Er hatte sich ein ordentliches Stück von den Tournedos abgeschnitten und es in den Mund geschoben. Das Kauen dauerte keine zehn Sekunden. Nachdem er es hinuntergeschluckt hatte, starrte er ein paar Sekunden auf seinen Teller, es schien, als würde er warten, bis das Fleisch seinen Magen erreicht hatte. Danach führte er Messer und Gabel wieder zum Teller.
    Ich stand auf.
    »Was ist denn jetzt schon wieder?«, stöhnte Serge.
    »Ich geh mal kurz nachschauen, wo sie so lange bleiben«, sagte ich.

[Menü]
    17
    Ich versuchte es zunächst auf der Damentoilette. Vorsichtig, damit ich niemandem einen Schrecken einjagte, öffnete ich die Tür einen Spalt.
    »Claire …?«
    Abgesehen von der Pinkelwand war der Raum mit der Herrentoilette identisch. Rostfreier Edelstahl, Granit, Pianomusik. Der einzige Unterschied war die Vase mit weißen Narzissen, die zwischen den beiden Waschbecken stand. Ich musste an den Eigentümer des Restaurants denken und an seinen weißen Rollkragenpullover.
    »Babette?«
    Den Vornamen meiner Schwägerin sprach ich eigentlich nur noch der Form halber laut aus, ein Vorwand, mit dem ich meine Anwesenheit an der Tür rechtfertigen wollte, für den Fall, dass sich wirklich jemand in einer der Toiletten befände, was jedoch nicht der Fall zu sein schien.
    Ich lief an der Garderobe und den Mädchen am Stehpult vorbei zum Ausgang. Draußen war es angenehm warm, zwischen den Bäumen hing der Vollmond, und es roch nach Kräutern, ein Geruch, den ich nicht ganz zuordnen konnte, der mich aber ein wenig ans Mittelmeer erinnerte. Ein Stück weiter, dort, wo der Park aufhörte, konnte ich das Scheinwerferlicht der vorüberfahrenden Autos und einer Straßenbahn erkennen. Und noch ein Stück weiter, durch die Sträucherhindurch, leuchteten die hellen Fenster der Kneipe, in der sich gerade die Normalos an Spareribs erfreuten.
    Ich folgte dem Kiesweg mit den elektrischen Fackeln und bog nach links in einen Pfad ein, der um das Restaurant herumführte. Rechts befand sich eine Brücke über einen Wassergraben, so gelangte man zur Straße und zu der Kneipe, links ein quadratischer Teich. Weiter hinten, wo der Teich in der Dunkelheit verschwand, konnte ich etwas erkennen, das ich zunächst für eine Mauer gehalten hatte, das sich bei genauerem Hinsehen aber als mannshohe Hecke entpuppte.
    Ich bog noch einmal nach links ab und ging am Teich entlang, das Licht aus dem Restaurant spiegelte sich im dunklen Wasser. Von hier aus konnte man die Speisenden im Restaurant erkennen. Ich ging noch ein Stückchen weiter und blieb dann stehen.
    Keine zehn Meter trennten uns voneinander. Ich sah meinen Bruder an unserem Tisch sitzen, er mich aber nicht. Mehrmals hatte ich während der Warterei auf den Hauptgang hinausgeschaut, doch als es dämmerte, erkannte man höchstens noch Schemen. Allerdings reflektierte die Glasscheibe so stark, dass ich von meinem Sitzplatz aus das ganze Restaurant gespiegelt sah. Serge müsste sein Gesicht an die Scheibe pressen, dann würde er mich hier vielleicht stehen sehen, doch es war fraglich, ob er dann mehr erkennen könnte als eine schwarze Gestalt auf der anderen Seite des Weihers. Ich schaute mich um, doch das Einzige, was ich im Dunkeln ausmachen konnte, war der verlassene Park. Keine Spur von Claire und Babette. Mein Bruder hatte Messer und Gabel aus der Hand gelegt und wischte sich mit der Serviette über den Mund. Von hier aus konnte ich nicht bis auf seinen Teller sehen, doch

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