Angor - Schatten der Vergangenheit (Kriminalroman)
blickte scheinbar gedankenverloren durch die Windschutzscheibe.
Walthers Anruf war eine dringende Warnung, nicht eindeutig, aber deutlich genug …
Jules hatte es ja geahnt, aber dennoch gehofft - sich zu irren. Wenn sie die CIA in die Suche nach seiner Person mit einbezogen hatten, dann waren die Vorgänge in der Vergangenheit also doch hochbrisant. Sofort setzten wieder Automatismen ein. Seine zuvor erlangte Melancholie verflog innerhalb von Sekunden. Nun ging es um Selbstschutz, da war kein Platz mehr für Gefühlsduselei. Er ging seine Möglichkeiten durch. Wie viel Zeit blieb ihm? Er drehte die Sonnenblende auf der Fahrerseite herum und schaute auf den Aufkleber der Hertz-Autovermietung mit der Notfallnummer.
Er wählte diese, meldete eine Panne und dass das Fahrzeug abgeschleppt werden müsse.
Die Dame am anderen Ende wollte ihm einen Ersatzwagen stellen, aber dies verneinte er. Jules ging nur logisch vor, seine Erfahrungen und die Lehrmeister beim MI6 waren Grundlage seiner Handlungen. Er stieg aus, ging nach hinten und entnahm seine Reisetasche aus dem Kofferraum. Jules schaute sich um, es waren keine Schatten auszumachen. Gemütlichen Schrittes entfernte er sich vom Mietwagen.
In etwa einhundert Meter Entfernung schmiss er sein Handy in einen Briefkasten am Zaun eines Einfamilienhauses. Sie hatten derzeit zwei elektronische Möglichkeiten, ihn zu lokalisieren. Sein Handy und den GPS-Sender des Mietwagens. Er ließ ihnen beides …
Das verschaffte Jules zumindest einen kleinen Zeitvorteil und Verwirrung, egal wie nahe sie ihm waren.
Nun war die S ituation wieder relativ neutral. Sie würden sich mehr anstrengen und vor allem auffälliger agieren müssen. Er kannte diese gezielte Personensuche ja zur Genüge. Jules fragte sich nur, warum sie ihn noch nicht eliminiert hatten?
Die letzten Tage war er nur mit seinen legalen Ausweispapieren und seinem Smartphone unterwegs, das war fast schon provozierend. Mit dem Wagen fuhr er durch Paris und seine gemächliche Odyssee hierher dauerte mehr als sieben Stunden. Eine Ewigkeit … in dieser Zeit hätte ein Zugriff jederzeit erfolgen können. Sein digitales Bewegungsprofil kam einer Zielscheibe gleich.
Irgendetwas stank zum Himmel …
In dieser gepflegten Wohngegend waren am frühen Samstagmorgen nicht allzu viele Menschen unterwegs. Hier in Bois musste er sein Vorhaben abbrechen, das war natürlich ärgerlich. Es ging wohl doch um mehr, als um das Ansehen der Familie Blackstone.
Jules hatte ein uraltes Fass aufgemacht, üble Gerüche stiegen auf … es sollte also tunlichst wieder verschlossen werden.
Nun hatte er eine inoffizielle Bestätigung dafür, sie wollten ihn mundtot machen.
Walther Dicks ging sonst nicht so ein großes Risiko ein, denn sie würden auch ihn überwachen. Es gab nur noch drei Personen, denen Jules vertrauen konnte.
Malcolm verhielt sich neutral, Walther würde ihm immer helfen und die Dritte war eine Frau in Paris. Die hatten sie nicht auf dem Zettel. Jules´ Informationslücken waren einfach zu groß, seine alten beruflichen Quellen nun nicht mehr nutzbar. Zwölf Jahre außer Dienst hatten sowieso alles verändert. Jules war nur froh, dass er nach seiner Ankunft in Paris einer kleinen Apotheke in der Nähe des Bahnhofs Gare du Nord einen Besuch abgestattet hatte. Die Besitzerin war keine alte Liebschaft, aber seine dritte Vertrauensperson. Jene Dame fühlte sich ihm verbunden und verpflichtet. Seine „kleine Versicherung“, wie er sie liebevoll nennen würde. Es war ein Notfalldepot, welches er sich angelegt hatte. „Sie“ hatten ihn doch gelehrt, sich auf alles vorzubereiten. Darin befanden sich Ausweispapiere und natürlich Bargeld. Dieses schmerzliche Gefühl des Verrats und die damit verbundene innere Zerrissenheit kannte Jules in dieser Form auch noch nicht. Wenn er wollte, könnte er für Jahre untertauchen, ohne wirklich Spuren zu hinterlassen. Aber das war nicht sein erklärtes Ziel. Jahrelang konnte er auf die fast unbegrenzten Ressourcen der mächtigsten Geheimdienste der Welt zurückgreifen und nun?
Warum hatte Sir Malcolm Cornick oder der Secret Intelligence Service Direktor ihm nicht einfach die Hintergründe erklärt. Wahrscheinlich hätte Jules seine Wahrheitssuche eingestellt und alles auf sich beruhen lassen.
Er liebte sein Land doch über alles, nie würde er es bewusst kompromittieren. Jules verstand diese komplizierte Denkweise einfach nicht. Er war einer der loyalsten Agenten des britischen
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