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Angriff auf die Freiheit

Angriff auf die Freiheit

Titel: Angriff auf die Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juli Ilija;Zeh Trojanow
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Gretchenfrage: Ist das Abendland, ist unsere Zivilisation tatsächlich in Gefahr, und wenn ja, wodurch? Anscheinend hat fast der gesamte Medienbetrieb die Prämisse geschluckt, daß der Terrorismus (und nicht etwa seine Bekämpfung) die westliche Kultur bedrohe und »etwas« (nämlich vornehmlich durch das Ausweiten staatlicher Kontrollmöglichkeiten) dagegen getan werden müsse.
    Eines der wenigen Presseorgane, das sich eine unabhängige Berichterstattung zum Thema leistet, ist die Computerzeitschrift c’t mit der angeschlossenen Homepage www.heise.de. Eine technische Fachzeitung übernimmt es also, Datenschutzfragen in aller Ausführlichkeit zu behandeln, neue Überwachungsmethoden auf ihre zum Teil eklatanten technischen Mängel zu prüfen und ihre Wirkung auf Freiheit und Privatsphäre zu erläutern – während sich die großen Repräsentanten bürgerlicher Aufklärung mit dem Wiederkäuen der immergleichen Schlagworte und Szenarien begnügen (einzelne kritische Journalisten ausgenommen). Zum fünfundzwanzigjährigen Jubiläum der c’t im Jahre 2008 klatschten Zeitungen und Magazine der Computerzeitschrift Beifall für differenzierten und vorbildlich recherchierten Journalismus, kamen jedoch nicht auf die Idee, sich davon eine Scheibe abzuschneiden.
    Denkt man über Gründe für die verblüffende Einhelligkeit in der Medienlandschaft nach, gelangt man zu einer Diagnose, die mit dem Idealbild einer kritischen Presseöffentlichkeit wenig gemein hat. Die moderne Medienindustrie ist ein hartes Konkurrenzgeschäft, in dem mit möglichst wenig Zeit, Geld und Personal um eine knappe Ressource gekämpft wird: die öffentliche Aufmerksamkeit. Ein Beitrag, der gegen den Mainstream schwimmen wollte, müßte seine Sondermeinung detailliert begründen, was einen erheblichen Aufwand erfordern würde – Recherche, Überlegungen und ausreichend Platz im Blatt, um eingefahrene Denkmuster überzeugend zu widerlegen. Erheblich weniger Aufwand kostet es, die herrschende Meinung zu bestätigen. Wer schreibt oder sendet, was ohnehin alle denken, ist rechtzeitig zu Redaktionsschluß fertig mit seinem Kommentar. Und natürlich ist jede Redaktion futterneidisch darauf bedacht, den Hype der Stunde nicht zu verpassen. Indem man tapfer voneinander abschreibt, vermeidet man wütende Vorwürfe des Chefredakteurs: »Warum haben die das im Blatt und wir nicht?«

    Ein Journalismus, der seine gesellschaftliche Verantwortung in den Hintergrund treten läßt, schadet der Demokratie. Ein ins Bockshorn gejagter Bürger ist nicht »mündig« und wird sich nicht als freier, aufgeklärter, selbstbewußter Mensch an politischen Prozessen beteiligen. Angst war seit jeher ein Druckmittel, in Religionen etwa, die mit Fegefeuer und Höllenqualen drohen, um den Einzelnen zum stummen Ertragen seiner Benachteiligungen zu bringen. Angst ist das wichtigste Instrument von Diktaturen, die ihre Bevölkerung terrorisieren, um Ausbeutungsverhältnisse zu stabilisieren. Wo Angst zum Mittel der Politik wird, stimmt etwas nicht. Wirklich freie Medien dürfen nicht an den gleichen Strippen ziehen wie die Politik, und wenn hundertmal gilt: Angst sells .
    Unabhängig davon, wie man die gegenwärtigen Probleme und Risiken bewertet, kann es keine sachlich richtige Strategie sein, die Menschen mit undifferenzierten Schauermärchen zu verängstigen. So sehr wir uns in diesen Breitengraden durch den unbedingten Glauben an das gedruckte und gesendete Wort auszeichnen – es ist höchste Zeit für jeden Einzelnen von uns, sich von dieser Art der Berichterstattung zu distanzieren. Es sollte jedem klar sein, daß Begriffe wie »Terrorverdächtiger«, »Gefährder«, »islamistische Zelle«, »radikaler Islamismus« keine Realitätsbeschreibungen, sondern vor allem politische Setzungen von ungeheurer Durchschlagskraft sind. Wenn echtes kritisches Hinterfragen nicht öffentlich vorgelebt wird, muß es um so mehr zur Einzeldisziplin werden. Wer etwas auf sich hält, darf sich nicht zum Politik- und Informationskonsumenten herabwürdigen lassen, den man an der Leine seiner persönlichen Bedürfnisse und Ängste spazierenführt.

    Anmerkungen zu diesem Kapitel

Neuntes Kapitel: Denn Sie wissen nicht, was sie tun
    Mal angenommen, Sie gehören zu jener Minderheit, die sich erstens für persönliche Freiheit und zweitens für die demokratische Verfaßtheit ihres Landes interessiert. Vielleicht haben Sie gerade etwas über »Echelon« gelesen, jenes globale Abhörsystem, das die

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