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Angriff auf die Freiheit

Angriff auf die Freiheit

Titel: Angriff auf die Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juli Ilija;Zeh Trojanow
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amerikanische NSA in Kooperation mit europäischen Diensten betreibt, um mit Hilfe von 120 geostationären Satelliten und Dutzenden über den Planeten verteilten Abhörstationen weltweit Mobilfunk, Festnetz und Internet mitschneiden zu können. Oder Sie haben erfahren, daß die EU eventuell schon ab dem Jahr 2010 alle Euro-Banknoten mit RFID-Chips versehen will, damit in Zukunft nachvollzogen werden kann, ob der Geldschein, den Sie eben am Automaten geholt haben, in der Hand eines Schwarzarbeiters oder einer illegalen Prostituierten landet. Oder Sie haben gehört, daß Spezialisten gerade daran arbeiten, echte Insekten in fliegende »Wanzen«, also in fernsteuerbare Lauschapparate zu verwandeln. Vielleicht wissen Sie auch von »Feel Europe«, einer EU-Expertenplattform, die an der Entwicklung von Technologien arbeitet, mit denen menschliche Emotionen am Gesichtsausdruck abgelesen sowie Puls und EEG aus der Ferne gemessen werden können – um Menschen mit falschen Gefühlen, sprich: »Terroristen«, im öffentlichen Raum zu identifizieren.
    »Es reicht«, denken Sie. Die nächste Wahl steht bevor, und Sie beschließen, Ihre demokratische Mitwirkungsbefugnis zu nutzen, um sich gegen die Verwandlung unserer Gesellschaft in eine George-Orwell-Phantasie zu wehren. Sie werden eine Partei wählen, die begriffen hat, daß sich informationstechnologisches Wettrüsten nicht mit der demokratischen Idee verträgt. Sie werden sich für einen Abgeordneten entscheiden, der die Bürgerrechte ernst nimmt und nicht die Auffassung des ehemaligen britischen Premiers John Major vertritt:
    »Ich habe keine Zweifel, daß wir einige Proteste überdie Bedrohung der Bürgerrechte hören werden. Nun, ich habe überhaupt keine Sympathie für sogenannte Rechte dieser Art.«
    Sogenannte Bürgerrechte also, die in Wahrheit nur Schlupflöcher für Terroristen und andere Sozialschädlinge sind. Eine erstaunliche Einlassung für einen Berufsdemokraten. Aber, denken Sie vielleicht, wir sind ja nicht in England.
    Nun stehen Sie in einer deutschen Wahlkabine und fragen sich, wem Sie guten Gewissens Ihre Stimme geben können. Da wäre einerseits die CDU. Jene Partei, die unter der Ägide von Wolfgang Schäuble seit Jahren Bundestrojaner, Abschußgenehmigungen für Passagierflugzeuge, Terror-Dateien und zentrale Fingerabdruck-Datenbanken einzuführen versucht. Eine Volkspartei, deren Parteivorsitzende und Bundeskanzlerin nicht nur den Irakkrieg für eine gute Idee zur Terrorbekämpfung hielt, sondern die auch seltsame Visionen zur Zukunft unserer Gesellschaft hegt:
    »Wir werden nicht zulassen, daß technisch manches möglich ist, aber der Staat es nicht nutzt.«
    Der Staat muß alles realisieren, was die Technik erlaubt? Stellen Sie sich vor, was das wirklich bedeutet, lieber Leser, und Ihnen wird ganz schlecht werden.
    Andererseits wäre da die SPD, welche mit Hilfe des früheren Bundesinnenministers Schily die »Otto-Kataloge« und damit die ersten Pakete von Terrorismusbekämpfungsgesetzen verabschiedet hat. In der Großen Koalition beteiligt sich diese Partei immer wieder am Erlaß von Gesetzen, die verfassungswidrig sind.
    Die Grünen entdecken neuerdings ihr bürgerrechtliches Herz, seit in den Feuilletons ab und zu datenschutzbewegte Beiträge erscheinen, und sprechen sich deshalb gegen die Vorratsdatenspeicherung und den »Großen Lauschangriff« aus. Doch zuvor saßen sie sieben Jahre lang in jener Regierung, die in Brüssel die Einführung der ePässe vorangetrieben hat, und haben sich beim Abbau von Freiheitsrechten vor allem durch Schweigen und Mitlaufen ausgezeichnet.
    Auch Die Linke findet am »Großen Lauschangriff« keinen Gefallen, was ihr allerdings leichter abzunehmen wäre, wenn sie nicht zu großen Teilen aus der PDS bestünde. In ihrer früheren Form als SED hat diese Partei ganz eigene Erfahrungen mit dem Überwachen und Erniedrigen von Bürgern durch einen allgegenwärtigen Stasi-Apparat gesammelt. Das Verhältnis der Linken zu ihrer DDR-Geschichte ist, vorsichtig gesagt, ambivalent.
    So bleibt nur noch die FDP, die sich gelegentlich aus einem liberalen Reflex heraus gegen die Steueridentifikationsnummer, gegen Fluggastdatenspeicherung und biometrische Erfassung ausspricht. Dem »Großen Lauschangriff« stimmten jedoch zwei Drittel ihrer Mitglieder zu, woraufhin die damalige Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger ihr Amt niederlegte. Jenseits von bürgerlich-liberalen Denkern wie Burkhard Hirsch, Gerhart Baum und

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