ANGRIFF - Fantastischer Thriller (German Edition)
den Südstaaten untergetaucht war, war Pater Bill Ryan in die Stadt zurückgekommen, aber er hielt sich auch weiterhin versteckt. Nur eine Handvoll Menschen wusste, dass er wieder da war. Schließlich wurde er noch immer von der Polizei gesucht.
Der arme Pater Bill. Die Jahre der Einsamkeit waren nicht spurlos an ihm vorbeigegangen. Er sah erheblich älter aus und er benahm sich merkwürdig. Er war gleichzeitig nervös, reizbar, verängstigt und wütend. Und er redete merkwürdiges Zeug. Nichts Genaues, nur kryptische Andeutungen über einen nahenden Weltuntergang. Es ging nicht um islamistische Terroristen. Etwas anderes …
Aber über eines hatte sich Pater Bill ziemlich klar geäußert, nämlich darüber, wo alles anfangen würde.
Es wird am Himmel beginnen.
Er hatte Nick aufgetragen, die Augen offen zu halten und ihm Bescheid zu geben, sobald etwas Merkwürdiges am Himmel geschah, egal wie unbedeutend.
Nun, jetzt war etwas mehr als nur Merkwürdiges passiert. Etwas, das alles andere als unbedeutend war. Etwas Unmögliches.
Es wird am Himmel beginnen.
Das Unbehagen in Nicks Rücken verzichtete auf den krabbelnden Anstieg und sprang ihm direkt in den Nacken, wo es sich zwischen seinen Schulterblättern ausbreitete. Er verabschiedete sich von den beiden Wissenschaftlern und ging in die Halle, um einen Anruf zu tätigen.
Pater William Ryan, S. J.
»Fragen Sie ihn, was mit heute Nacht ist«, instruierte Glaeken Pater Bill, der neben ihm stand. »Gehen die davon aus, dass die Sonne heute Abend vorzeitig untergehen wird?«
Bill wandte sich wieder zum Telefon und wiederholte die Frage. Nicks Antwort klang nervös. Bill bemerkte, wie die Stimme des jüngeren Mannes zitterte.
»Ich weiß es nicht und ich bin sicher, Harv und Cynthia wissen es ebenso wenig. Das hier ist Neuland, Bill. Es hat noch nie etwas Vergleichbares gegeben. Da ist alles möglich.«
»Gut, Nick. Danke, dass du angerufen hast. Halt mich auf dem Laufenden, ja? Lass mich wissen, was mit dem Sonnenuntergang ist.«
»Das war’s? Ich soll dich auf dem Laufenden halten? Worum geht es hier eigentlich? Woher hast du gewusst, dass etwas Derartiges passieren würde? Was hat das alles zu bedeuten?«
Bill spürte die Angst, die für ihn so untypische Unsicherheit in Nick, und wünschte wirklich, er könne ihm etwas Tröstliches sagen. Aber es gab nichts Beruhigendes, was er sagen könnte.
»Du wirst es erfahren, sobald ich etwas weiß, das verspreche ich dir. Komm heute Nacht vorbei. Ich werde auf dich warten. Bis dann.«
Bill legte auf und wandte sich zu Glaeken, aber der alte Mann war an das Panoramafenster getreten und sah in den Park hinunter. Er tat das sehr oft.
Glaeken sah aus wie achtzig, vielleicht neunzig, mit weißen Haaren und runzliger, olivfarbener Haut. Blaue Augen musterten die Welt über hoch angesetzte Wangenknochen hinweg. Obwohl er etwas gebeugt ging, war er noch immer ein großer Mann und seine Gestalt verdeckte einen beträchtlichen Teil des Fensters. Bill wohnte jetzt seit einigen Monaten in Glaekens Apartment, half ihm mit seiner pflegebedürftigen Frau und chauffierte ihn, wenn er seine ›Forschungen‹ betrieb, aber in erster Linie wartete er.
Es war eine große Wohnung, die das ganze Obergeschoss des Gebäudes einnahm und die voller merkwürdiger Andenken und noch merkwürdigerer Bilder war. Die Wand links von Bill war verspiegelt und er zuckte zusammen, als er den Fremden bemerkte, der ihn aus dem Glas heraus ansah, bis ihm klar wurde, dass das er selbst war. Er hatte sich den Bart abgenommen und das Haar gestutzt. Sein Pferdeschwanz fehlte ihm und er hatte sich noch nicht daran gewöhnt, sich glatt rasiert zu sehen. Und auch nicht daran, dass er so alt aussah. Sein Haar war zwar schon vor Jahren ergraut, aber der Bart hatte bisher die Falten verborgen.
Er ging zum Fenster hinüber und stellte sich neben Glaeken.
Das Warten war offenbar vorüber. In gewisser Weise war er darüber sogar froh. Aber ein eisiger Tentakel der Furcht bohrte sich durch seine Eingeweide, als ihm klar wurde, dass er nur eine Ungewissheit gegen eine andere eingetauscht hatte. Die Erwartung und die Unsicherheit, wann es beginnen würde, wurden ersetzt durch die noch größere Furcht, was denn begonnen hatte.
»Sie schienen nicht sehr überrascht«, sagte Bill.
»Ich habe den Unterschied heute Morgen gespürt. Ihr Freund hat das bestätigt. Der Wandel hat begonnen.«
»Man würde es nicht glauben, wenn man die Dinge dort unten
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