ANGRIFF - Fantastischer Thriller (German Edition)
Vielleicht bin ich ja verrückt. Aber andererseits vielleicht auch nicht. Aber bei einer Sache bin ich mir sicher: Du und ich, wir sind nicht wie die. Ich will, dass meine Insel sich mit deiner vereint. Ich will ein unverbrüchliches Band zwischen uns. Sieh dir diese Leute an, Lisl. Deine sogenannten Brüder. Gibt es unter denen einen, auf den du dich verlassen kannst? Wirklich verlassen? Nein. Aber du kannst dich auf mich verlassen. Egal was, egal wo, egal wann, du kannst dich auf mich verlassen.«
Lisl blickte ihn an und erkannte die Gewissheit in seinen Augen. Sie glaubte ihm. Und das hellte ihre Laune auf. Plötzlich hatte sie wieder Lust zum Einkaufen.
Sie schlenderten die vollen Gänge entlang und blieben schließlich in der Schmuckabteilung stehen. Die drei Verkäuferinnen waren mit anderen Kunden beschäftigt. Lisl nahm eine breite, etwa 50 Zentimeter lange 18-Karat-Goldkette in Augenschein, die außer Reichweite hinter dem Tresen lag. Das Fischgrätenmuster sprach sie an.
»Gefällt sie dir?«, fragte Rafe.
»Sie ist schön.«
Er griff mit seinem langen Arm über den Tresen und nahm sie aus dem Polster. Er öffnete den Verschluss.
»Hier. Probier sie an.«
Er schloss die Kette in ihrem Nacken, dann führte er sie vor einen Spiegel. Das Gold glitzerte zwischen ihren Brüsten und verdeckte fast die schmale Kette mit der Muschel.
»Sie ist toll.«
»Glänzendes Metall macht dich glücklich, was? Nun, davon gibt es hier noch mehr.«
Er griff erneut zu und wählte ein Paar goldene Ohrringe mit Onyxbesatz. Lisl zog sich die kleinen Stecker, die sie getragen hatte, aus den Ohren und gestattete es ihm, die neuen an ihren Ohrläppchen zu befestigen.
»Perfekt. Und jetzt das i-Tüpfelchen.«
Einen Moment später streifte er ihr einen echtgoldenen Filigranschmuck-Armreif über das rechte Handgelenk.
»Da! Alles komplett!« Er ergriff ihren Ellbogen und steuerte sie sanft weg von der Schmuckabteilung. »Gehen wir.«
»Wo wollen wir …«
»Raus.«
»Aber wir haben gar nicht bezahlt.«
»Das brauchen wir nicht. Wir sind Primen.«
»Oh Gott! Rafe!«
Lisl wollte zurück zur Kasse, aber Rafe hielt ihren Arm fest.
»Vertrau mir, Lisl«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Folge einfach meinen Anweisungen. Ich bin der Einzige, dem du wirklich vertrauen kannst.«
Sie hielt den Atem an und ließ sich von ihm zum Ausgang führen, in der sicheren Erwartung, jeden Augenblick würden die Hausdetektive auftauchen und sie in ihr Büro bringen. Sie würde vernommen und dann verhaftet werden. Aber niemand hielt sie auf.
Bis zum Ausgang. Ein uniformierter Türsteher an der Glastür, die zur Straße führte, trat einen Schritt auf sie zu. Seine behandschuhte Hand hielt die Türklinke fest.
»Haben Sie alles gefunden, was Sie suchten?«, fragte er mit einem Lächeln.
Lisl spürte, wie ihr die Knie weich wurden. Ladendiebstahl! Und beim Wert dieser Schmuckstücke war das auch kein Kavaliersdelikt mehr. Sie sah, wie ihr Ruf und ihre akademische Laufbahn den Bach hinuntergingen.
»Wir haben uns nur umgesehen«, sagte Rafe.
»Sehr schön.« Er hielt ihnen die Tür auf. »Besuchen Sie uns bald wieder.«
»Das werden wir sicher«, sagte Rafe, als er Lisl vor sich her hinausschob.
Erleichterung durchströmte sie, als sie sich in den Fußgängerstrom vor der Tür einreihten und die Conway Street entlanggingen. Einen halben Block von dem Geschäft entfernt entriss Lisl ihm ihren Arm.
»Bist du wahnsinnig?«
Sie war fuchsteufelswild. Sie wollte davonlaufen, mit ihm brechen, ihn nie wiedersehen.
Rafe spielte den Bestürzten, aber in seinen Mundwinkeln spielte ein Lächeln.
»Was ist los? Ich dachte, du magst goldenen Schmuck.«
»Das tue ich auch. Aber ich stehle nicht!«
»Das war kein Stehlen! Du hast nur das gekriegt, was du verdienst.«
»Ich habe Geld! Ich kann es mir leisten, den Schmuck zu kaufen!«
»Das kann ich auch. Ich könnte die ganze Abteilung da drin kaufen und dich mit Gold überhäufen. Aber darum geht es gar nicht. Das ist nicht der Grund, warum ich das getan habe.«
»Und was ist der Grund?«
»Es geht darum, dass da auf der einen Seite w ir, und auf der anderen Seite die sind. Wir müssen uns vor denen nicht rechtfertigen. Sie haben alles verdient, was wir ihnen antun, sie schulden uns alles, was wir ihnen wegnehmen. Sie haben dich dein ganzes Leben lang schlecht behandelt. Es ist höchste Zeit, dass du dafür etwas zurückbekommst.«
»Aber ich will nichts, von niemandem, es sei denn, ich
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