Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
ANGRIFF - Fantastischer Thriller (German Edition)

ANGRIFF - Fantastischer Thriller (German Edition)

Titel: ANGRIFF - Fantastischer Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
Vom Netzwerk:
die ganze Zeit vor sich hin plapperte: »Ich habe jetzt den ganzen Tag damit verbracht, Zeugnis für den Herrn abzulegen und ihn zu loben. Ich preise unseren wunderbaren Herrgott. Tschüss, ihr beide!«
    »Wiedersehen, Adele«, sagte Lisl.
    Sie sah sich zu Will um. Er lehnte gegen den Baum und starrte hinter Adele her. Sein Sandwich lag vergessen auf seinem Schoß.
    »Unfassbar!«, sagte er.
    »Was ist los?«
    »Bei solchen Leuten vergeht mir der Appetit.«
    »Es gibt nichts, bei dem dir der Appetit vergeht.«
    »Bei den Adeles dieser Welt schon. Ich meine, wie hirnlos kann man denn sein?«
    »Sie ist harmlos.«
    »Wirklich? Ich meine, was denkt die denn? Gott ist kein Talisman. Er ist nicht dazu da, verlorene Schlüssel wiederzufinden oder dafür zu sorgen, dass das Labor-Day-Picknick nicht verregnet.«
    Lisl beobachtete, wie Will sich ereiferte. Für gewöhnlich sprach er nicht über Religion – alles andere war in Ordnung, aber er vermied es, über Gott zu sprechen. Das würde interessant werden. Sie dachte nicht daran, ihn zu bremsen.
    »Gott hat ihr geholfen, ihre Autoschlüssel zu finden. Toll. Einfach toll. Lobet den Herrn und reicht den Kartoffelbrei rüber. Was denkt die sich eigentlich? Da verhungern Tausende – nein, Hunderttausende von Menschen in Ostafrika. Verzweifelte Väter und Mütter knien neben den aufgedunsenen Leibern ihrer Kinder und flehen zum Himmel für ein bisschen Regen, damit ihre Ernte wächst und sie ihre Kinder ernähren können. Aber Gott antwortet ihnen nicht. Die ganze verdammte Gegend verdorrt und Kinder und Erwachsene sterben wie die Fliegen. Adele dagegen betet ein paar Vaterunser und Gott springt sofort darauf an. Er findet diese verlorenen Schlüssel und stopft sie unter das Stuhlkissen, damit Adele sie auch sicher als Allererstes heute Morgen findet. In Äthiopien regnet es zwar immer noch nicht, aber Adele Wie-auch-immer hat wenigstens ihre verdammten Autoschlüssel zurück.« Er hielt inne, um Luft zu holen und sah sie an. »Liegt das nur an mir oder passt an diesem Szenario etwas nicht?«
    Lisl starrte Will völlig entgeistert an. In den zwei Jahren, die sie ihn jetzt kannte, hatte er nie ein lautes Wort gesprochen, sich aufgeregt oder so etwas. Aber Adele hatte offenbar einen wunden Punkt getroffen. Er schäumte vor Wut, die Narbe an seiner Stirn trat purpurrot hervor.
    Sie tätschelte seinen Arm.
    »Beruhig dich, Will. Das ist doch egal.«
    »Ist es nicht. Wie kommt die dazu, sich einzubilden, dass Gott die Regengebete der Menschen im Sudan ignoriert, damit er ihre Autoschlüssel da verstecken kann, wo sie sie auch finden wird? Es ist eine Unverschämtheit, wenn sie herumrennt und allen Leuten erzählt, dass Gott ihre kleinlichen Gebete erhört, während Gebete für Dinge, die wirklich wichtig sind, unbeantwortet bleiben.«
    Plötzlich war Lisl alles klar. Plötzlich wusste sie, warum Will so wütend war. Oder wenigstens dachte sie, dass sie es tat.
    »Wofür hast du gebetet, Will? Was hast du dir erbeten, was nicht eingetroffen ist?«
    Er sah sie an und für einen Augenblick waren die Rollläden hochgezogen. In diesem Augenblick konnte sie in seine Seele hineinblicken –
    – und schreckte zurück vor dem Schmerz, der Qual und der Enttäuschung, die da in seinen Augen stand. Aber vor allem war es die alles in den Schatten stellende Angst, die sie erschütterte.
    Oh mein Gott! Mein armer, armer Will! Was ist dir nur zugestoßen? Wo bist du gewesen? Was hast du gesehen?
    Und dann rasselten die Rollläden wieder herunter und wieder waren da nur die ausdruckslosen blauen Augen. Undurchdringliche blaue Augen.
    »So war es nicht«, sagte er ruhig. »Es ist einfach so, dass das Infantile und das Oberflächliche dieser Art Religion – nein, Religiosität ist dafür ein besseres Wort – mir nach einer Weile zu schaffen macht. So kommt Religion hier in den meisten Fällen daher. Man redet häufig von Politik, die am Stammtisch gemacht wird, aber in dieser Gegend besteht Religion aus Stammtischparolen.«
    Lisl wusste durch den Blick, den sie in seinen Augen gesehen hatte, dass sehr viel mehr dahintersteckte, aber sie merkte auch, dass es keinen Sinn hatte, weiter in ihn zu dringen. Will hatte dichtgemacht.
    Lisl fügte ein weiteres Rätsel zu der langen Liste hinzu, die sie über den geheimnisvollen Will Ryerson führte.
    »Nicht nur in dieser Gegend«, sagte sie.
    Er seufzte. »Ja. Du hast ja so recht. Das gibt es im ganzen Land. Bibelfernsehen. Gott als Showmaster.

Weitere Kostenlose Bücher