Angst
hatten. Es war der Maifeiertag, und wir hatten einen Maibaum auf dem Campus aufgestellt. Ich dachte, es wäre wundervoll, wenn sich der Chor dort versammeln und irische Volkslieder singen würde, während andere Studenten in Bauernkostümen um den Maibaum tanzten. Sie lachte mich einfach aus. Können Sie sich das vorstellen?«
»Wo ist Lucy Hendler jetzt, Dr. Holcombe?«
»Sie hat im Juni ihren Abschluss gemacht. Sie hätte an unserem Graduiertenprogramm teilnehmen können, aber sie wollte nicht.«
»Lassen Sie mich raten, nach der Sache mit dem Maibaum hatte sie ihre Meinung geändert.«
»Nein, auf gar keinen Fall hat dieser Zwischenfall ihre Entscheidung beeinflusst. Sie hatte eine Freundin in New York, zu der sie immer wieder fuhr. Dann hat sie sich entschlossen, dortzubleiben. Das Letzte, was ich von ihr hörte, ist, dass sie an der Juilliard School eingeschrieben ist.«
Ruth nickte. »Und, fühlen Sie sich verantwortlich dafür, dass die Stanislaus eine Absolventin verloren hat?«
Dix hielt sich zurück. Ruth hatte die Situation wie ein echter Profi im Griff, hatte Gordon an der Angel wie einen Fisch, den sie langsam einholte und den sie dazu brachte, ihr die gewünschten Informationen preiszugeben. Dix war sich nicht sicher, ob er jemals so viel von ihm erfahren hätte.
Gordon berichtete ihnen von Lindsey Farland, einer Studentin vor etwa zweieinhalb Jahren, einer Sopranistin mit einem unglaublichen Stimmumfang, der er begegnet war, als sie die Rolle von Cho-Cho-San sang, der betrogenen jungen Ehefrau in Madame Butterfly. Äußerlich passte sie überhaupt nicht zur Rolle, da sie Afroamerikanerin war, doch als er sie singen hörte und sie das hohe C in »Un bei di« traf, verliebte er sich in sie.
»Das ist eine meiner Lieblingsarien«, sagte Ruth, und jeder am Tisch wusste, dass sie es ernst meinte. Sie hielt kurz inne, dann fragte sie: »Wo ist Lindsey jetzt?«
»Das weiß ich nicht. Sie machte vor zwei Jahren ihren Abschluss, und seitdem haben wir keinen Kontakt mehr.«
»Wir werden nicht lange brauchen, um sie aufzuspüren.«
Ruth bekam sechs Namen aus Gordon heraus, aber er konnte sich nur an wenige Einzelheiten zu den Frauen erinnern. Auch bei den Daten war er sich sehr unsicher. »Ich kann mich an nichts weiter erinnern, Agentin Warnecki. Augenblick, es gab da noch jemanden. Ihr Name war Kirkland. Ihr Vorname war ungewöhnlich, so ähnlich wie Anoka. Und dann ... Nein, das ist eigentlich unwichtig. Sehen Sie, ich muss erst ein paar der Schulakten durchgehen, um nachzusehen, wie ihr genauer Vorname lautet.«
Es war Sherlock, die ihn darauf festnagelte: »Sagen Sie uns schon, wen Sie auslassen, Dr. Holcombe! Warum wollen Sie uns nichts von ihr erzählen? Wer ist es?«
Dix schüttelte den Kopf.
»Ich weiß, weshalb er sie vor uns verschweigen möchte. Sie ist aus der Gegend, nicht wahr, Gordon? Sie stammt aus Maestro.«
»Nein, es gibt sonst niemanden. Nun, Dix, ich nehme an, du wirst alle diese Damen anrufen, um dir meine Geschichten bestätigen zu lassen? Darf ich zuerst mit ihnen reden, damit es kein so großer Schock für sie ist?«
»Noch nicht, Gordon. Ich melde mich bei dir, sobald ich entschieden habe, dass es an der Zeit ist, diese Anrufe zu tätigen. Jetzt möchte ich, dass du hierbleibst und über die Frau nachdenkst, deren Namen du uns nicht verraten willst. Natürlich ist sie aus der Gegend. Ist sie verheiratet? Musstest du ihr versprechen, es keiner Menschenseele zu verraten? Ich will ihren Namen, Gordon. Ich gebe dir bis morgen früh Zeit, andernfalls komm ich dich holen!«
»Verdammt noch mal, da ist keine andere Frau!«
»Du gibst mir ihren Namen, oder ich verhafte dich«, entgegnete Dix ungerührt.
»Um Himmels willen, Dix, wie kannst du so etwas sagen? Ich bin Christies Onkel!«
Dix erhob sich langsam. »Aus diesem Grund begehe ich den Fehler, Gordon, dich nicht sofort samt deinem italienischen Maßanzug zu verhaften und in mein nettes, warmes Gefängnis zu werfen. Bis dahin wird B.B. ein Auge auf dich haben. Ich hoffe, du enttäuschst mich nicht.«
KAPITEL 25
Bud Bailey’s Bed & Breakfast
Maestro, Virginia
Später Donnerstagnachmittag
»Ich muss duschen und mich rasieren, bevor wir rüber zu Dix fahren.« Doch Savich machte keine Anstalten aufzustehen. Er liebkoste Sherlocks Nacken, genoss das Gefühl ihrer Haare an seinem Gesicht.
»Da ich völlig ausgelaugt bin, kannst du zuerst gehen.« Sie biss ihm spielerisch in die Schulter und küsste ihn. Dann holte
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