Angst
zu weinen und bat mich um Verzeihung.«
Es war lediglich das leise Geräusch von Dr. Holcombes Handflächen zu vernehmen, die das Whiskyglas umschlossen hielten und es hin und her rollten.
»Das ist ein ziemlich handfestes Motiv, Gordon«, meinte Dix. »Deine Exgeliebte packt aus, was einen Skandal nach sich ziehen wird, der dich deinen angesehenen Job kosten und den Eltern einen ausgezeichneten Grund liefern könnte, ihre Kinder von der Stanislaus zu nehmen. Ich könnte dich auf der Stelle verhaften.«
Beinahe hätte Gordon das Glas umgestoßen. Er vermochte es gerade noch zu packen und wieder aufrecht hinzustellen. Sein Atem ging jetzt schnell und stoßweise. »Ich habe es nicht getan, Dix, das schwöre ich dir. Ich hätte Helen niemals ermorden können! Ich habe sie auf meine Art geliebt.«
»Und was ist Ihre Art, Sir?«, fragte Ruth.
»Sie war meine Stütze und im Gegensatz zu mir ein Menschenkenner. Ich fand bei ihr Trost und Rat. Ich werde nie vergessen, wie ich einmal an einer jungen Violinistin interessiert war und Helen mir sagte, dass diese Studentin ein unausgeglichenes Wesen habe, dass sie mir eine Szene machen und mich wahrscheinlich verletzen würde. Also habe ich mich von ihr ferngehalten. Ein paar Monate später hat die Studentin einen jungen Mann aus der Stadt der Vergewaltigung bezichtigt.«
»Daran erinnere ich mich«, erwiderte Dix. »Kenny Pol-lard, aber er hatte ein hieb- und stichfestes Alibi. Es scheint fast so, als habe Helen dir sogar dabei geholfen, deine eigenen Studentinnen zu verführen.«
Ganz offensichtlich tief bestürzt, schüttelte er den Kopf.
»Als Sie erkannten, dass Helen uns alles über Sie erzählt hat, haben Sie sie aus Rache umgebracht, nicht wahr? Sie hätten es nicht ertragen können, dass die ganze Welt erfährt, was für ein lächerlicher, alter Lustmolch Sie sind.« Savichs Stimme war so eisern, so brutal, dass Gordon wie ein Hirsch im Scheinwerferlicht erstarrte. Der FBI-Agent beugte sich nach vorne, packte Gordon am Handgelenk und drückte fest zu. »Sie werden mir jetzt die Wahrheit sagen, Sie alter Perversling! Warum haben Sie Erin Bushnell umgebracht? War sie diejenige unter all den Musikstudentinnen, die Sie durchschaut hat? Hat sie Ihnen gedroht, allen zu erzählen, wie Sie wirklich sind? Wollte sie sehen, wie Sie gedemütigt vom Campus gejagt werden, Ihrer Macht und Ihres Ansehens beraubt?«
Plötzlich war der Mann, der eben noch verzweifelt und flehend über seinen Drink gebeugt dagehockt hatte, wie vom Erdboden verschwunden. An seiner Stelle saß nun Dr. Gordon Holcombe, Rektor der Stanislaus. Er hatte seine Würde zurückgefunden, seine vornehmen Gesichtszüge waren zu einer arroganten Maske verzogen. Abwechselnd blickte er jeden von ihnen mit Verachtung und überheblicher Geduld an. »Ich werde Ihnen die Wahrheit über Erin sagen. Das erste Mal habe ich mich auf sie eingelassen, als sie an Halloween, verkleidet als Titania aus Ein Sommernachtstraum, vor meinem Haus auftauchte und >Süßes oder Saures< verlangte. Später in dieser Nacht hat sie mich ihren Oberon genannt.«
Der Ausdruck auf Ruths Gesicht blieb die ganze Zeit über gleich, obwohl Dix meinte, gesehen zu haben, wie sie erschauderte.
»Erin war die talentierteste Geigerin, die ich seit Langem gehört hatte. Gloria Stanford war überzeugt, Erin würde eines Tages Weltruhm erlangen. Sie hatte eine ausgezeichnete Technik und konnte einen zum Weinen bringen, wenn man ihr beim Spielen lauschte. Die drei Violinsonaten von Brahms für Joseph Joachim ... Erin war göttlich. Ihre Gesellschaft beglückte mich, ich genoss unsere gemeinsame Zeit von ganzem Herzen. Aber ich habe sie nicht umgebracht, dafür gab es keinen Grund. Ich habe auch Helen Rafferty nicht getötet. Ich habe beide geliebt, auf unterschiedliche Art und Weise.
Was auch immer Sie von meinen Moralvorstellungen oder meinem Benehmen halten mögen, spielt hier keine Rolle, solange ich nicht gegen das Gesetz verstoße - und das habe ich nicht getan. Dix, du bist der Sheriff von Maestro. Jeder behauptet, wir könnten uns glücklich schätzen, dich zu haben. Nun, dann beweise es. Finde für uns heraus, wer zwei Einwohner unserer Stadt in nicht einmal einer Woche umgebracht hat.«
»Du vergisst Walt McGuffey, den gutherzigen alten Mann, der in seinem ganzen Leben keiner Menschenseele etwas zuleide getan hat.«
»Davon habe ich gehört. Möchtest du mir etwa auch noch seinen Tod in die Schuhe schieben? Ich habe ihn doch fast gar nicht
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