Angst
gekannt, er hat mir nichts bedeutet! Warum hätte ich ihn töten sollen?«
»Sein Haus liegt auf dem Weg zum Lone Tree Hill und dem anderen Eingang zur Winkel’s Cave. Ruths Wagen war in seinem Schuppen versteckt. Aus diesem Grund hat ihn jemand umgebracht.«
»Ich weiß nichts von einem Auto! Ich habe Walt seit Monaten nicht mehr getroffen!«
»Wann hast du Erin zum letzten Mal lebend gesehen?«, wollte Dix wissen.
»Am Donnerstagnachmittag, in der Musikschule. Sie hat viel für das bevorstehende Konzert geübt, und wir hatten nicht vor, uns am Wochenende zu treffen.«
»Aber du hast sie am Freitag gesehen, Gordon, nicht wahr? Du hast sie zur Winkel’s Cave mitgenommen, um sie dort umzubringen!«
Gordon sah aus, als fiele er im nächsten Moment in Ohnmacht. Er wurde blass, und man sah beinahe nur noch das Weiße seiner Augen. Ruth hielt ihm ihre Kaffeetasse unter die Nase. »Trinken Sie!«
Gordon stammelte jetzt darauf los, wedelte mit den Händen vor ihren Gesichtern wie ein betrunkener Schaffner. »Ich war es nicht, wirklich, niemals könnte ich so etwas tun! Ich habe es nicht ...«
Dix stützte sich mit gespreizten Fingern auf seinem Sitzpolster auf und beugte sich zu seinem Onkel vor. »Gordon, du wirst Folgendes tun: Du gibst uns eine schriftliche Einwilligung, damit wir dein Haus, dein Büro und dein Studio durchsuchen dürfen. Wenn du mit uns zusammenarbeitest, werden wir diesen Teil der Ermittlung diskret durchführen. Wenn nicht, holen wir uns Durchsuchungsbefehle und werden an jeden Baum auf dem Campusgelände Flugblätter aufhängen, um nach den Frauen zu fahnden, mit denen du geschlafen hast. Dann werden wir jeder von ihnen eine Vorladung zuschicken und sie zur Stanislaus zurückbeordern, um mit ihnen zu reden - überdies werden wir den gesamten Lehrkörper befragen.
Dir ist sicherlich klar, dass du deine Affäre mit Erin nicht mehr lange geheim halten kannst, aber vielleicht darfst du deinen Job behalten, oder sie helfen dir bei der Suche nach einer neuen Stellung, wenn du es ihnen selbst beichtest. Denk darüber nach.
Und uns wirst du alles von deinen anderen Affären erzählen - die Namen der Studentinnen und wie wir mit ihnen Kontakt aufnehmen können. Wenn nötig werden wir die Akten in der Stanislaus durchkämmen, um die Frauen zu finden. Lass es nicht dazu kommen, Gordon!«
Ruth holte einen Stift und ein kleines Notizbuch hervor. »Also schön, ich bin bereit, Dr. Holcombe. Berichten Sie uns von Ihren talentierten Lolitas.«
»So war das nicht! Bei Ihnen hört sich das an, als handelte es sich um Teenager, und das waren sie nicht. Sie waren alle vollendete Musikerinnen. Nein, so war es nie! Ich habe sie alle geliebt, jede zu ihrer Zeit!«
»Zu ihrer Zeit«, wiederholte Savich langsam, den Blick unverwandt auf Gordons Gesicht gerichtet. »Welche Beziehung hat am längsten gehalten, Dr. Holcombe?«
Gordon erstarrte. »Darüber möchte ich nicht reden. Dix, sie sollen aufhören. Ich habe nichts getan!«
»Ruth hat ihren Stift gezückt, Gordon. Gib ihr die Namen. Wer war vor Erin Bushnell an der Reihe?«
Es folgte ein Moment angespannten Schweigens. Schließlich holte Gordon tief Luft. »Vor Erin war es Lucy Hendler, eine Pianistin mit einer außergewöhnlich großen Variationsspanne, einer wunderbaren Technik und voller Leidenschaft. Sie besaß das absolute Gehör.«
Eine Litanei ihrer besonderen Fähigkeiten, nichts über Lucy Hendler, die Frau, das Individuum. »Geben Sie mir die Daten.«
»Was meinen Sie damit, die Daten?«
»Dr. Holcombe«, sagte Ruth, »ich bin mir sicher, dass die Geschichte mit Lucy vor noch nicht allzu langer Zeit passiert ist.«
»Bei einem Klavierkonzert im Februar vor einem Jahr hat sie fantastisch gut Scarlatti vorgetragen. Die Leute sprangen auf und zollten ihr anhaltenden Beifall, was nicht häufig vorkommt bei einem Publikum aus fähigen Musikern, das kann ich Ihnen versichern. Später hat sie mir erzählt, dass sie Scarlatti eigentlich nicht ausstehen kann, dass sie ihn veraltet und langweilig findet, viel zu vorhersehbar. Ihr fehlendes Wissen von dem historischen Kontext amüsierte mich. Ich meine, wer um Himmels willen kann Domenico Scarlatti als belanglos abtun? Sie war erst einundzwanzig. Was wusste sie schon?«
»Sie haben ihr also den Laufpass gegeben, weil sie keine Verehrerin Scarlattis war?«, fragte Ruth.
»Nein, natürlich nicht. Unsere Beziehung vertiefte sich. Ich erinnere mich, dass wir vor ihrem Abschluss einen kleinen Streit
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