Angst
jedenfalls. Darf ich fragen, warum Gordon dir von mir und meiner Mutter erzählt hat? Was geht dich das überhaupt an?«
»Warst du wütend, weil er mit deiner Mutter geschlafen hat?«, wollte Dix wissen.
»Großer Gott, nein! Du musst wissen, Dix, dass Gloria sich nicht mit besonders vielen Männern getroffen hat, seitdem mein Vater uns verlassen hat. Gordon ist sehr kultiviert und kann ein richtiger Charmeur sein. Ich hatte keinen Grund, deswegen sauer zu sein. Es hätte etwas Gutes für sie herauskommen können, wenn er ein anderer Mensch wäre. Wahrscheinlich hat er sich von Gloria getrennt, weil sie nicht um ihn herumscharwenzelt ist, wie er sich das von ihr gewünscht hatte. Aber warum hätte sie das tun sollen? Sie ist nicht mehr zweiundzwanzig und hat eine Menge Lebenserfahrung. Sie ist talentierter, berühmter und viel vermögender, als er es je sein wird.«
Ruth sagte: »Könnten Sie sich vorstellen, dass Gordon die Beziehung beendet hat, weil er Ihre Mutter für zu alt hielt?«
»Hmm, das ist mir nie in den Sinn gekommen. Was für ein Gedanke! Gordon könnte ihr den Laufpass gegeben haben, weil sie zu alt ist? Hat er das etwa gesagt? Ja, ja, wer im Glashaus sitzt ...« Sie grinste.
Dix und Ruth verließen Gingers Kanzlei zehn Minuten, nachdem sie sie betreten hatten. Auf ihrem Weg hinaus sagte Dix zu Henry O: »Wir hatten unsere Handschellen vergessen. Können Sie sich das vorstellen? Sie behalten Miss Stanford für uns im Auge, okay, Henry? Passen Sie auf, dass sie nicht abhaut!«
Henry O erhob sich. »Sie müssten mich schon bezahlen, wenn Sie mich als Deputy einstellen wollen, Sheriff.«
KAPITEL 29
Maestro, Virginia Freitagnachmittag
Dix und Ruth vernahmen Cynthia Holcombes Stimme, obwohl die beiden noch einige Meter von der Eingangstür des Anwesens Tara entfernt waren. Bevor sie die gotischen Säulen erreicht hatten, legte Dix einen Finger auf die Lippen, trat vom gepflasterten Gehweg hinunter und ging über den schneebedeckten Rasen zur Hausseite. »Der einzige Mensch, den Cynthia anschreit, ist Chappy. Na ja, normalerweise. Ich wette, sie sind in der Bibliothek. Sehen wir nach, ob ich recht habe.«
Die Temperatur betrug gerade einmal fünf Grad. Am stahlgrauen Himmel über den Bergen vor ihnen türmten sich dichte Schneewolken auf, die keinen einzigen Sonnenstrahl hindurchließen. Ein Fenster in der Bibliothek war einen Spalt weit geöffnet, und Cynthia Holcombes Stimme drang klar und laut zu ihnen heraus.
»Du jämmerlicher alter Wicht, an mir liegt es nicht, und Tony würde sich sowieso nie von mir scheiden lassen! Wir versuchen seit einem Jahr, dir ein Enkelkind zu schenken. Und hör auf, mit meiner Mutter zu telefonieren, sie weiß überhaupt nichts davon. Und noch etwas, ich schlafe nicht mit anderen Männern! Wie oft muss ich dir das sagen?«
»Sie wusste genug, um mir zu erklären, dass du über-haupt keine Kinder magst! Und was meinen armen Sohn angeht, so ist er mit seiner Weisheit am Ende und sagt, dass du ihn anlügst, heimlich die Pille nimmst und ihm vormachst, du seist total erpicht darauf, schwanger zu werden.«
»Ich nehme die Pille nicht! Warum erfindest du ständig irgendwelche Dinge? Aus Langeweile etwa? Weshalb machst du dich nicht mal zur Abwechslung daran, dir ein eigenes Leben aufzubauen? Oder heb deine Boshaftigkeit wenigstens für jemand anderen auf!«
»Deine Mutter hat gesagt, ich solle dir kein einziges Wort glauben ...«
Glas zerschellte an der Wand. Dann hörten Dix und Ruth, wie Chappy kicherte. Cynthia rang nach Luft, während sie brüllte: »Jeder, der auf meine Mutter hört, bekommt, was er verdient, verstehst du mich? Du willst die Wahrheit, Alter? Ich frage mich langsam, ob ich ein Kind von deinem willensschwachen Sohn möchte! Ich kann kaum glauben, dass er überhaupt gehen kann, wo er doch kein Rückgrat besitzt. Er lässt sich von dir derart herumkommandieren, dass ich am liebsten schreien möchte!«
»Oje«, sagte Ruth.
»Nicht genau das, was ich erwartet hatte«, erwiderte Dix. »Es ist an der Zeit, die beiden voneinander zu trennen, sonst zerschmettert sie noch eine Vase auf Chappys Kopf. Dann müsste ich sie verhaften, und allein der Gedanke daran jagt mir Angst ein.«
Ruth setzte Cynthia zuliebe ein Lächeln auf, als diese die Haustür aufriss.
»Nun, was machen ... Dix, hallo! Komm doch rein. Und Sie sind also immer noch hier? Tut mir leid, aber ich habe
Ihren Namen vergessen. Sie sind eine Art Polizistin, nicht wahr?«
»Sozusagen«,
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