Angst (German Edition)
Hochzeitsgesellschaft. Ich sah die leeren Flaschen, die halbleeren Chipstüten, den Pool, die schläfrigen Leute in den Deckchairs, darunter die Frau, die Aung San Suu Kyi kennt, und Putu, die aufgewacht war und mich anlächelte. Mein Freund kam zu mir und fragte, was los sei. Ich erzählte es ihm und sagte, dass ich mir sofort einen Rückflug besorgen würde. Er verstand das natürlich und bot mir jede Hilfe an. Kannst du dafür sorgen, dass das Mädchen nach Hause kommt, fragte ich. Klar, sagte er. Wir umarmten uns, ein Blick zu Putu, die fragend zurückschaute, dann ging ich zu meinem Roller und fuhr durch die erwachende Stadt hinunter zum Hotel. Dort angekommen, rief ich meine Frau an, aber sie sagte, dass die Polizei noch da sei, sie würde sich später melden. Ich packte meine Sachen, checkte aus und ließ mich zum Flughafen fahren.
Rebecca rief an und erzählte, dass die Polizisten Herrn Tiberius ermahnt hätten. Ermahnt, fragte ich, sonst nichts? Nein, sonst nichts, sagte sie. Ist das nicht mindestens Hausfriedensbruch, wollte ich wissen. Nein, sagte sie, er hat nicht versucht, in unsere Wohnung einzudringen. Ich verstand das nicht, für mein Verständnis hatte er unsere Wohnung belagert, das musste doch strafbar sein. Und Stalking, fragte ich, der ist doch Stalker, da muss man doch was machen können. Ich hörte wieder unsere Türklingel, und meine Frau sagte, dass Mathilde eingetroffen sei, ihre beste Freundin. Die wolle den Rest der Nacht bei ihr verbringen, sie könne unmöglich allein mit den Kindern in der Wohnung bleiben. Ich meinte herauszuhören, dass sie das Wort allein seltsam betont hatte, war mir aber nicht sicher. Ich sagte ihr, dass ich mich um einen schnellen Rückflug bemühen werde. Ich wollte noch eine Menge sagen, aber sie hatte schon den Türöffner gedrückt, und nun hörte ich die Stimme ihrer besten Freundin. Tschüs, sagte meine Frau und legte auf.
Ich kaufte ein Ticket für Flüge, die mich über Singapur und Paris nach Berlin bringen würden, hauptsächlich mit Singapore Airlines. Es gab nur noch einen Sitz in der Business Class, Abflug war um 18.05 Uhr, noch acht Stunden. Ich saß im Starbucks in der Wartehalle des kleinen Flughafens von Denpasar, trank einen Espresso nach dem anderen und bereute alles, was ich in den letzten zwei Monaten getan hatte, vor allem, was ich nicht getan hatte: Herrn Tiberius in die Schranken weisen, bei meiner Familie sein. Ich bereute die Reise nach Bali und die Gedanken, die Putu betrafen. Wie konnte ich das nur erwägen? Aber es war nichts passiert, immerhin. Ich dachte darüber nach, was ich nun tun würde: unsere Anwältin konsultieren, den Vermieter von Herrn Tiberius aufsuchen, bei der Polizei vorstellig werden. Herr Tiberius musste raus aus dem Souterrain, einen anderen Weg gab es nicht, keine Versöhnung, kein Arrangement, wir konnten mit diesem Mann nicht mehr unter einem Dach leben. Ich googelte Stalking auf meinem Handy und las mich durch einige Webseiten. Das Problem war, dass man nichts Wirksames machen konnte, solange der Stalker nicht handgreiflich wurde. Ich war niedergeschlagen, dann wieder vorsichtig optimistisch. Es konnte nicht sein, dass Herr Tiberius damit durchkam, nicht in einem Rechtsstaat. Am frühen Nachmittag rief ich meine Frau an. Sie weinte, sie hatte nicht geschlafen. Ich sagte ihr, was ich alles tun würde und dass wir dieses Schwein bald los sein würden. Meine Frau sagte, dass sie die kommende Nacht mit den Kindern bei ihrer Freundin verbringen wolle. Dann sprach ich mit Paul und Fee und sagte das, was ich immer sagte, wenn ich auf Reisen war, dass ich sie vermisse, dass ich bald zurück sei, und wir könnten ja in den Zoo gehen. Meine Stimme brach, ich hatte Tränen in den Augen. Ich schlief auf dem kurzen Flug von Denpasar nach Singapur.
Nach der Landung schaltete ich sofort das Handy ein und wartete ungeduldig, bis der Apparat ein Netz gefunden hatte. Zwei Nachrichten von meiner Frau auf der Mailbox, ich solle sie dringend anrufen, warum ich sie nicht anrufen würde. Ich rief sie an. Sie sagte, dass ihr Herr Tiberius einen Brief auf die Fußmatte gelegt habe, drei Seiten, mit der Hand geschrieben. Er habe uns seit einiger Zeit im Verdacht, dass wir unsere Kinder sexuell missbrauchen würden, deshalb habe er damit begonnen, uns nachts vom Garten aus zu beobachten. Er sei im Besitz von Beweisen, die er nun der Polizei übergeben werde. Ich lachte auf, jetzt haben wir ihn, lachte ich ins Telefon, mit diesem Dreck
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