Angst (German Edition)
Metis, ein Restaurant mit Lounge, halb offen, mit Blick auf lange Wasserbecken, die bedeckt waren von Seerosen, dazwischen schwammen fette Kois. Ein DJ legte auf, ein Trompeter begleitete die Musik live. Wir saßen in Sesseln, schauten auf die Seerosen, tranken Strawberry Mojitos oder Moscow Mules, unsere Kleidung klebte an der Haut. Ich redete lange mit einer Frau, die Diplomatin der Europäischen Union war und von Bangkok aus Myanmar betreute. Sie trug ein kurzes, weißes Kleid im Stile Mondrians und erzählte mir von den Generälen und der Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi in ihrem Haus am See. Wir flirteten ein wenig, ziellos, nur weil der Abend danach war, dann setzte sich mein Freund dazu. Die Diplomatin ging, und wir führten unser Schamlippengespräch. Ich erzählte ihm ausführlich von Herrn Tiberius und war etwas verstimmt, als mich mein Freund fragte, ob es in einer solchen Lage richtig sei, meine Familie in Berlin zu lassen. Andererseits waren unsere Gespräche genau dafür da. Ich sagte, dass Herr Tiberius nie zudringlich geworden sei und ich ihn nicht für gefährlich halte. Später verlor ich mich an die Trompete, und es kam mir vor, als habe ich nie eine Musik gehört, die mir so tief ins Gemüt gedrungen ist, aber das lag wohl am Pathos des Alkohols. Um ein Uhr morgens kam der Regen, die Trompete ging in seinem Prasseln unter, wir warteten auf Taxis, die lange nicht kamen, einige aus der Hochzeitsgesellschaft zogen weiter in einen Club, ich ging in mein Hotel und rief meine Frau an. Sie nahm nicht ab. Sie musste zu Hause sein, in Deutschland war es acht Uhr abends, die Zeit, zu der unsere Kinder ins Bett gingen. Wäre ich da gewesen, hätte ich ihnen jetzt aus einem Buch vorgelesen. Damals lebte ich viel im Irrealis. Ich war oft weg und stellte mir lebhaft vor, was ich täte, wäre ich bei meiner Familie. So war ich halb da, jedenfalls in meinem Bewusstsein, und war beruhigt. Plötzlich machte ich mir Sorgen, weil mir Herr Tiberius einfiel. Ich rief noch einmal an und sprach auf die Mailbox. Ich liebe dich, sagte ich zum Schluss. Am nächsten Morgen hatte ich Rebeccas Stimme auf meiner Mailbox. Sie sagte, dass es den Kindern gutgehe und ihr auch.
Am Tag vor der Hochzeit machte mein Freund einen Junggesellenabend. Er zog mit den Männern los, seine Braut mit den Frauen. Wir aßen in einem Lokal, das einem riesige Schweinerippchen servierte, und wir säbelten mit scharfen Messern das Fleisch von den Knochen, die wir am Ende abnagten. Wir tranken Bier in ein paar Bars und landeten schließlich in einem Club, der berühmt war für einen Drink, dem halluzinogene Pilze beigemischt waren. Ich hatte nie Drogen versucht, nicht einmal gekifft, aber ich trank aus dem Glas, das jetzt die Runde machte. Wir waren acht Männer, an der Wand klebte ein Gecko, und jemand sagte, dass ein Gecko keine Lider habe und seine Augen deshalb mit der Zunge befeuchten müsse, und dies sei der Grund, warum Geckos züngelten. Ich lachte laut heraus. Drei Frauen stellten sich an unseren Tisch und tanzten zu der Musik aus den Lautsprechern, knappe, anmutige Bewegungen. Es waren Balinesinnen, klein, zart, jung, sie trugen hohe Schuhe und Bikinis mit Leopardenmuster und tanzten fünf Minuten für uns. Nach einer halben Stunde kamen sie wieder. Sie waren schön, ich sah sie an, freute mich. Dann vergaß ich sie. Von den Pilzen merkte ich kaum etwas.
Wir beschlossen, die Frauen der Hochzeitsgesellschaft zu treffen und im Haus meines Freundes weiterzufeiern. Als ich auf meinem Roller saß und auf die anderen wartete, stellte sich eine der Tänzerinnen neben mich. Sie trug nun eine Jeans und ein weißes T-Shirt, ihr langes Haar war mit einem roten Band nach hinten gebunden. Sie lächelte mich an, ich lächelte zurück, scheu, ein bisschen ratlos, ich wusste nicht, was sie wollte. Die anderen setzten sich auf ihre Roller und fuhren los. Als ich den Motor antrat, stieg die Balinesin auf den Soziussitz. Ich ließ es geschehen, anders kann ich es nicht sagen. Ich habe sie nicht dazu eingeladen, weder mit Worten noch mit einer Geste. Mein Lächeln könnte ich mir vorwerfen, aber man wird ja noch lächeln dürfen. Sie legte ihre Arme um meine Hüften, legte ihre Hände auf meinen Bauch und schmiegte sich an mich. Wir fuhren durch die Nacht, fanden die Frauen der Hochzeitsgesellschaft, die ebenfalls auf ihre Roller stiegen und uns folgten. Auf halbem Weg hielten wir an einem Shop, kauften Bier, Wein, Wodka, Chips, Schokolade. Die Balinesin
Weitere Kostenlose Bücher