Angst in deinen Augen
so eine fixe Idee von Dad. Sein Geld. Und seine Frauen.“
Sam schüttelte den Kopf. „Es überrascht mich nach allem, was Ihnen Ihre Eltern vorgelebt haben, dass Sie sich in das Abenteuer der Ehe stürzen wollten.“
„Aber genau aus diesem Grund wollte ich doch heiraten!“ Sie schaute ihn an. „Ich wollte, dass es funktioniert. Ich habe als Kind nie Stabilität kennengelernt. Als meine Eltern sich scheiden ließen, war ich acht, und ich wollte nicht so leben wie sie.“ Seufzend schaute sie auf ihre unberingte linke Hand hinunter. „Jetzt frage ich mich allerdings, ob das ganze Gerede von einer glücklichen Ehe nicht nur ein modernes Märchen ist.“
„Meine Eltern waren aber sehr glücklich miteinander und sehr lange verheiratet.“
„Dann hatten Sie Glück. Mehr als ich. Ich glaube, meine Mutter war zum ersten Mal stolz auf mich, als ich ihr Robert vorstellte.“
„Aber das war doch wohl nicht der Grund, warum Sie Robert heiraten wollten, oder? Um Ihrer Mutter eine Freude zu machen?“
„Ich weiß es nicht.“ Sie schaute ihn verwirrt an. „Ich weiß überhaupt nichts mehr.“
„Sie müssen ihn doch geliebt haben.“
„Wie kann ich mir noch bei irgendetwas sicher sein? Ich habe gerade erst erfahren, dass er eine Affäre mit einer anderen Frau hatte. Mir kommt es so vor, als ob ich in einer Fantasiewelt gelebt hätte, verliebt in einen Mann, der gar nicht wirklich existierte.“ Sie lehnte sich zurück und schloss die Augen. „Ich will nicht mehr über ihn sprechen.“
„Es ist aber wichtig, dass Sie mir alles über ihn erzählen. Wir müssen herausfinden, warum jemand seinen Tod wollte. Kein Mensch wird einfach grundlos erschossen, oder jedenfalls nur sehr selten. Der Mörder muss einen Grund gehabt haben. Wir müssen unbedingt das Motiv finden.“
„Vielleicht ja doch nicht. Vielleicht war es ja ein Verrückter. Vielleicht war Robert ja einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort.“
„Das glauben Sie doch nicht wirklich, oder?“
Sie schwieg einen Moment. Dann sagte sie sanft: „Nein, vermutlich nicht.“
Er beobachtete sie einen Moment, wobei er dachte, wie verletzlich sie aussah. Wäre er ein anderer gewesen, wäre er jetzt aufgestanden und hätte sie in die Arme genommen.
Plötzlich war er angewidert von sich selbst. Es war der falsche Zeitpunkt, sie mit Fragen zu behelligen, der falsche Zeitpunkt, den Cop zu spielen. Und doch war es das einzige Mittel, um Abstand zu halten. Es schützte ihn, trennte ihn. Von ihr.
Er stand auf. „Ich denke, wir brauchen nun beide ein bisschen Schlaf.“
Sie nickte schweigend.
„Wenn Sie etwas benötigen, mein Zimmer liegt gegenüber. Und Sie sind wirklich ganz sicher, dass Sie nicht lieber mein Bett nehmen?“
„Ich werde gut schlafen hier. Gute Nacht.“
Das war sein Stichwort, um sich zurückzuziehen.
In seinem Zimmer lief er zwischen Schrank und Ankleidekommode hin und her, während er sein Hemd aufknöpfte. Er fühlte sich eher rastlos als müde, seine Gedanken wirbelten durcheinander. In den letzten zwei Tagen war ein Bombenanschlag auf eine Kirche verübt worden, ein Mann war erschlagen, ein zweiter erschossen und eine Frau war bei dem Versuch, sie umzubringen, von der Straße abgedrängt worden. Er war überzeugt, dass alles irgendwie zusammenhing und dass es überdies noch einen Zusammenhang mit dem Bombenanschlag auf das Kaufhaus vor zwei Wochen gab, aber er konnte ihn nicht erkennen. Vielleicht, weil er zu angespannt war. Vielleicht, weil seine Hormone verrückt spielten.
Es war alles ihre Schuld. Er brauchte diese Komplikationen nicht. Aber er schien über diesen Fall nicht nachdenken zu können, ohne dass er ständig an sie denken musste.
Morgen ist sie hier weg, dachte er.
Und ich habe mein Leben wieder im Griff.
7. KAPITEL
S am Navarro stand vor ihr, schweigend und ohne zu lächeln. Sie sah kein Gefühl in seinen Augen, nur diesen ausdruckslosen, nicht zu entziffernden Blick eines Fremden. Er streckte den Arm aus, als ob er ihre Hand nehmen wollte, aber als sie nach unten schaute, sah sie, dass sie Handschellen umhatte.
„Sie sind schuldig“, sagte er. Und wiederholte das Wort immer wieder. Schuldig. Schuldig.
Mit Tränen in den Augen fuhr Nina aus dem Schlaf hoch. Noch nie hatte sie sich so allein gefühlt. Und sie war allein, reduziert auf den jämmerlichen Status einer Schutzsuchenden im Wochenendhaus eines Polizisten, der sich nicht das Geringste aus ihr machte. Der in ihr wenig mehr als eine zusätzliche
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