Angst ist dein Tod - Ephron, H: Angst ist dein Tod - Come and Find Me
oder eine andere Identität, um sich stark und kräftig zu fühlen, aber trotzdem hob Diana Nadias Jacke vom Boden auf und zog sie an. Wie sehr sie dieses weiche Leder liebte, und es ging doch nichts über maßgeschneiderte Kleidungsstücke.
»Außerdem kann Daniel Schechter gar nichts damit zu tun haben. Schließlich ist er tot. Schon vergessen?«, sagte sie mit einem kurzen Blick auf Jake. »Ich kann Ihnen seine Asche zeigen.«
37
A ls Ashley sie nach Hause fuhr, klammerte sich Diana am Türgriff fest. So nervenaufreibend es auch gewesen war, im Hummer auf der I-93 nach Norden zu fahren, fühlte sie sich in dem Mini Cooper auf der I-93 nach Süden nun, als würde sie in einer Blechbüchse über den Boden gezogen.
Daniels Spazierstock lag auf ihrem Schoß. Der Kiefernduft stieg ihr in die Nase. Irgendwo da draußen war er. Irgendwo. Wo genau, schien ihr nicht wichtig.
Beim Verlassen des Fabrikgebäudes hatten die Polizisten sämtliche Überwachungseinrichtungen und Computer mitgenommen. Auch Dianas Notebook. Die schwarze Limousine wurde ebenfalls sichergestellt. Nur der Hummer mit Daniel blieb verschwunden. Diana und Ashley hatten die Polizei zu dem Stockwerk geführt, in dem Ashley bewusstlos festgehalten worden war. Sie blieben da und hatten zugesehen, wie die Ermittler Fotos gemacht und den Raum mit ihren Blitzlichtern erhellt hatten. Mit vor der Brust verschränkten Armen hatte Ashley zitternd beobachtet, wie die Leute von der Spurensicherung den Infusionsbeutel mit dem Schlauch und der Nadel daran eingesteckt hatten.
»Es ist seltsam, jetzt hier zu stehen. Wie eine außerkörperliche Erfahrung«, hatte Ashley gesagt. Sie erzählte Diana, wie ihr nach und nach immer mehr Einzelheiten einfielen. Meistens waren es optische Eindrücke. Das unverkleidete Deckengewölbe. Die Fesseln – breite Klettbandverschlüsse. Der Schlauch, über den die bewusstseinstrübenden Drogen in ihren Körper geleitet wurden.
»Du warst so tapfer«, sagte Diana und legte den Arm um sie.
»Ich war bewusstlos. Wie kann man tapfer sein, wenn man kaltgestellt ist?«
»Glaub mir, du warst beides.«
Nach einer Pause sagte Ashley: »Diese Schweine!«
»Richtige Arschlöcher.«
Von der alten Fabrik aus waren Ashley und Diana gleich nach Manchester zum Polizeipräsidium von New Hampshire gefahren, um ihre Aussagen zu machen. Der Staatsanwalt versicherte ihnen, dass Jake in Haft bleiben würde, solange die Ermittlungen nicht abgeschlossen waren. Die Anklage würde wahrscheinlich auf Körperverletzung und Menschenraub lauten, und je nachdem, was die Ermittler noch herausfanden, konnte noch Erpressung hinzukommen.
Sie saßen im Auto und fuhren die I-93 entlang, als Ashley fragte: »Wie fühlst du dich eigentlich?«
»Ich dachte, ich würde mehr spüren, eine Art Hochgefühl oder so. Genugtuung vielleicht.« Draußen sah Diana verschwommen die Bäume an sich vorbeiziehen, die die Straße säumten. »Stattdessen glaube ich, dass ich einfach nur traurig bin. Enttäuscht, dass sie nicht die waren, für die ich sie gehalten habe. Enttäuscht über mich, dass ich mich so leicht habe einlullen lassen. Richtig angewidert bin ich.« Willkommen in Massachusetts stand auf einem Schild, das an ihnen vorbeiflog. »Vor allem aber will ich nach vorn schauen.«
»Das klingt gut«, sagte Ashley und lächelte sie müde an.
Es hatte bereits zu dämmern begonnen, als sie in Ashleys Apartment ankamen. Ashley meldete sich im Büro krank, dann schliefen sie beide bis zum nächsten Morgen. Am folgenden Nachmittag fuhr Ashley Diana nach Hause. Sie parkte den Wagen vor dem kleinen Haus, in dem sie aufgewachsen waren.
»Vielleicht sollten wir Mum anrufen«, sagte sie.
»Es ist Freitag. Sie wird glauben, dass etwas passiert ist«, sagte Diana.
»Sie weiß doch längst, dass etwas passiert ist.«
Ashley stieg aus. Diana folgte ihr zur Haustür. Sie musste nichts weiter tun, als ihren Hausschlüssel umdrehen, schon war sie drin. Auf dem Teppich befanden sich Schmutzspuren, die entstanden sein mussten, als Jake und Daniel ihre Sachen herausgeholt hatten. Ansonsten sah das Wohnzimmer aus wie immer.
Sie zog die Jalousien hoch, ging von Zimmer zu Zimmer und ließ überall Licht hinein. Im Schlafzimmer machte sie im Geiste einen Knoten ins Taschentuch – sie würde später über Craigslist nach einem neuen Bett suchen. Das Bett, das sie mit Daniel geteilt hatte, wollte sie nie wieder sehen.
Sie stand in der Tür zu ihrem nüchternen Arbeitszimmer und
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