Angst ist dein Tod - Ephron, H: Angst ist dein Tod - Come and Find Me
mein Alter normal sei. Glaubst du, dass er mir das nur sagt, weil er mir nicht helfen kann? Aber wie gesagt, sonst kann ich nicht klagen.« Ihre Mutter lachte verächtlich. »Na ja, ich könnte schon. Ha, ha! Kann mich nämlich richtig gut beklagen. Aber im Großen und Ganzen geht es mir gut. Hallo? Ich habe meinen Krebs besiegt. Was kann ER mir da noch anhaben? Carpe Diem, sage ich immer. Genieße den Tag, und das jeden verdammten Tag von Neuem. Wie sieht es bei dir aus, mein Schatz?«
Endlich machte sie eine Pause, aber Diana wartete, um sicher zu sein, dass ihre Mutter die Antwort auf die Frage nicht selbst lieferte.
»Mir geht es gut.«
»Gut? Richtig gut? Schön zu hören. Ich vermute, du verlässt auch mal das …«
»Manchmal.«
»Schön. Ich freue mich, dass du rausgehst. Und wenn nicht, denk daran, eine Vitamin-D-Tablette zu nehmen. Du willst doch nicht etwa Osteoporose bekommen, wenn du in mein Alter kommst. Meine Freundin Barbara hat sich gerade den Arm gebrochen, als sie aus einem Liegestuhl aufstehen wollte.«
»Es ist zu kalt hier, um an den Strand zu gehen.«
Einen Augenblick war es still. »Du weißt, dass ich mir nichts mehr wünsche, als dass du glücklich bist. Deine Schwester sagt …«
»Dann hat sie also angerufen?«
»Letzte Woche. Sie sollte eigentlich heute Morgen anrufen. Montagmorgens ruft sie gewöhnlich immer an.«
Am Montagmorgen beantwortete Ashley in der Regel auch ihre Nachrichten und ging ins Büro.
»Ist etwas mit deiner Schwester?«, fragte ihre Mutter. »Das ganze Wochenende hatte ich schon so ein Gefühl, dass etwas nicht in Ordnung ist. Ich dachte, es läge an mir. Und heute Morgen hat sie dann nicht angerufen, sondern du. Ist was passiert, DeeDee?«
Diana zuckte zusammen, als sie ihren Spitznamen hörte, für den sie nun wirklich etwas zu alt war. »Nein, mit mir ist alles in Ordnung. Und ich glaube nicht, dass irgendetwas mit Ashley ist. Aber ich habe auch nicht mit ihr gesprochen.«
»Seit wann?«
»Freitag.«
»Aha.« Eine längere Pause trat ein. »Hast du in ihrer Wohnung angerufen?«
»Sie geht nicht ans Telefon.«
»Weil sie nicht da ist? Oder …«
Die anschließende Stille war voll unausgesprochener Vorwürfe, und vor Dianas geistigem Auge erschien Ashley, die in ihrer Küche auf dem Boden lag, gelähmt und unfähig, ans Telefon zu gehen.
»Wenn sie sich nicht bald meldet, werde ich jemanden hinschicken, um nachzusehen«, sagte Diana.
»Wenn du sie findest, sagst du ihr bitte, dass sie mich anrufen soll?«
»Mach ich, sobald ich etwas weiß.« Dianas Stimme klang schwach und leer.
»Ich bin sicher, dass sie bald wieder auftaucht. War ja bisher immer so. Mach dir nicht zu viele Sorgen«, sagte ihre Mutter. Vor zwei Jahren war es Diana gewesen, die ihrer Mutter Mut zugesprochen hatte.
»Danke für den Ratschlag.«
»Ich habe immer gute Ratschläge. Wusstest du das nicht?«
»Danke, Mom. Ich sage ihr, dass sie anrufen soll. Mach’s gut …«
»Psst!«, schnitt ihr die Mutter das Wort ab. Seit dem Tag, an dem sie die Krebsdiagnose bekommen hatte, hatte Dianas Mutter darauf bestanden, ein Gespräch nie mehr mit irgendeiner Version von »Mach’s gut« zu beenden.
»Entschuldigung. Bis bald, wollte ich sagen«, sagte Diana.
»Klopf auf Holz!«
Bis zum Nachmittag hatte Diana den größten Teil ihrer Aufgabenliste abgearbeitet und sich über nicht weniger als drei Waschmaschinenladungen und das Geschirr vom Wochenende hergemacht. Auch die Familienpackung Rumrosinen-Eis hatte sie vertilgt. Ashley hatte immer noch nicht angerufen und war, soweit Diana informiert war, auch nicht auf der Arbeit aufgetaucht.
Wäre sie ein normaler Mensch, wäre Diana zu Ashleys Wohnung gefahren. Bis zur Garage hatte sie es geschafft und den alten Duschvorhang von dem drei Jahre alten, blaugrauen Hummer heruntergezogen. Es war Daniels Auto. Er hatte sich in das städtische Telefonnetz eingehackt, um dafür zu sorgen, dass er der 198. Anrufer bei einem Radiosender war, der ihn gewinnen sollte. Der Hummer sah immer noch aus wie ein typisches Muscle-Car, aber Daniel hatte ihn ordentlich aufgemotzt, am Heck höhergelegt, übergroße Felgen montiert und Spezialreifen aufgezogen. Die speziellen Radnaben sahen aus wie schwarze Plastikseesterne mit schwarz umrandeten Chromarmen. Sie konnte sich nicht daran erinnern, dass sie ihn in die Garage gefahren hatte – aber sie musste es getan haben.
Diana berührte die Haube und zuckte zurück, als hätte sie einen elektrischen
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