Angst ist dein Tod - Ephron, H: Angst ist dein Tod - Come and Find Me
tagelang bewusstlos festzuhalten – sie taten ihr ja nicht weh –, um seelenruhig neu zu disponieren. Als sich andeutete, dass Plan B schiefzugehen drohte, konnte Jake gar nicht schnell genug »die Aktion abbrechen« – als ließe sich im realen Leben alles mir nichts, dir nichts auf null setzen, als könnte man einfach aufstehen und aus dem Spiel aussteigen.
Rasend vor Wut holte Diana aus. Das Metallgestell ging zu Boden wie in Zeitlupe, der Schlauch sauste wie eine aufgebrachte Schlange durch die Luft. Dann nahm sie ein Kissen vom Bett, drückte es sich vors Gesicht und stieß einen gedämpften Schrei aus.
Hatten sich Daniel und Jake nächtelang den Kopf darüber zermartert, wie sie sie herschaffen könnten? Die Limousine in ihrer Straße, die so aussah wie die in der Ladezone vor der Mühle. Der Lieferwagen vor ihrer Einfahrt, der nichts anlieferte. Steckten die zwei dahinter?
Sie hatte Jake vertraut, nachdem Daniel angeblich gestorben war. Er hatte ihre Computer eingerichtet. Die Video-Überwachung. Sie teilten sich ein E-Mail-Konto und nutzten den Entwurfsordner als Ablage für gemeinsame Dokumente. Jake hatte ihr erklärt, dass es sicherer wäre, Informationen auf diese Weise auszutauschen, statt Nachrichten über ein Netzwerk zu verschicken.
Er hatte Zugang zu sämtlichen Mails, die sie schrieb. Für ihn wäre es ein Leichtes gewesen herauszufinden, dass sie ihren Avatar beim Flashmob am Copley Square angemeldet hatte. Sie hatte ihm erzählt, dass sie sich besser fühlte und sich durchaus vorstellen konnte, bald wieder unter Leute zu gehen. Also musste er damit rechnen, dass sie es auch tat.
Zitternd kroch sie ins Bett zurück. Jake war da gewesen, zusammen mit Ashley, um ihr beizustehen, als sie vor Trauer und Schmerz zerging. Sie war noch gar nicht wieder auf den Beinen gewesen, als Jake ihr mitgeteilt hatte, dass man Daniels sterbliche Überreste gefunden hatte. Er hatte sie zum Narren gehalten. Ihm war klar gewesen, dass sie niemals mit ihm in die Schweiz zurückfliegen konnte. Er war nicht allein in die Schweiz geflogen. Er war überhaupt nicht geflogen. Sie fragte sich, wessen Asche ihr übergeben worden war, und ob sich überhaupt Asche in der Urne befand, die er ihr zusammen mit den Dokumenten präsentiert hatte, die erforderlich waren, um Daniel rechtmäßig für tot erklären zu lassen, sodass sie die Versicherungssumme kassieren konnte.
Das war Monate, bevor Daniel behauptete, in die Staaten zurückgekehrt zu sein. Und die Geschichte, dass er umhergeirrt war und erst langsam sein Gedächtnis wiedererlangt hatte? War das vielleicht ebenfalls nichts als pure Fantasie? Sie war entschlossen, das herauszufinden.
Wichtiger noch war es herauszufinden, was genau sie vorhatten. Warum riskierten sie aufzufliegen, indem sie sie herbrachten? Sicher war nur, dass Daniel nicht nur die ganze Zeit hinter ihrem Rücken agiert, sondern sie auch regelrecht überwacht hatte.
Aber man konnte den Spieß auch umdrehen. Den Rest der Nacht lag Diana wach und dachte nach. Sie legte sich Szenarien für den kommenden Tag zurecht, verwarf Ideen, wenn sie sich verrannt hatte, und sann nach anderen Möglichkeiten, um auch das Unerwartete nicht außer Acht zu lassen. Als der Tag anbrach, war sie erschöpft und ganz steif vor Kälte. Eine Heizung, die sie hätte einschalten können, war nirgendwo zu sehen. Draußen war es hell, und sie war immer noch allein.
Sie ging in das provisorisch eingerichtete Bad. In dem kleinen Raum beäugte sie die Duschzelle genauer. Ein heißes Duschbad wäre himmlisch gewesen, aber ihr war klar, dass sie den Leichtsinn nicht aufbringen konnte, nackt in eine Vorrichtung zu steigen, die einem aufrecht gestellten Sarg sehr ähnlich war, schon gar nicht, solange die unter der Decke montierte Überwachungskamera auf sie gerichtet war.
Sie nahm sich einen Waschlappen und eines der hellblauen Handtücher von dem Stapel auf dem Boden und roch daran. Katzenwäsche musste reichen.
Nachdem sie sich abgetrocknet hatte, zog sie saubere Unterwäsche an, die sie, ordentlich auf einem Wäschestapel zusammengelegt, als ihre eigene erkannt hatte. Als sie wieder in ihre Jeans schlüpfte, fiel ihr auf, dass sie leichter hineinkam. Kein Wunder, denn seit fünf Tagen hatte sie kaum etwas gegessen.
Sie holte sich ihren Rollkragen-Fleecepulli, der bei den Sachen in dem kleinen Bücherregal lag. Darüber trug sie Nadias Lederjacke.
Als sie das Bad wieder verließ, sah sie die Tür zum Verbindungsgang
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