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Angst - Kilborn, J: Angst - Afraid

Titel: Angst - Kilborn, J: Angst - Afraid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kilborn
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Moment lang aus.
    Leichen.
    Eine Leiche neben der anderen. Aufeinander gestapelt, zehn auf einmal. Wie Brennholz. In der Dusche direkt unter ihr. Es waren mindestens fünfzig Tote. Nachbarn. Freunde. Ihre Cousine Rachel. Seamus Dailey. Mary Porter. John Kramer. Sarah Richardson, die Kassiererin der örtlichen Bank.
    Ein Schluchzen stieg in Jessie Lee auf. Ganz oben auf dem Berg der Toten und nahe genug, um sie berühren zu können, lag ihre beste Freundin und Brautjungfer Mandy Sprinkle.
    Jeder Quadratzentimeter der Duschen war voller Blut. Es sah aus, als hätte man sie rot gestrichen. Es waren solche Unmengen von Blut, dass Jessie Lee den Kupfergeruch schmecken konnte. Sie erinnerte sich an einen Ausflug vor vielen Jahren zu einer Truthahnfabrik, um einem dort arbeitenden Ex-Freund einen Gefallen zu tun. Das Blut in dem Schlachthaus reichte bis zu den Knien - ein sprudelnder Fluss voll wabbeligem Gewebe. Es hatte von Fliegen gewimmelt.
    Knarzen.
    Über ihr.
    Taylor.
    Jessie Lee versuchte, sich hochzuziehen, um ihr Bein zu befreien, aber sie konnte sich mit den Händen nirgendwo festhalten. Also streckte sie die Arme nach vorn und fand an einer Deckenkachel Halt. Diese gab jedoch sofort nach, statt Jessie Lees Gewicht zu halten.
    Sie hob das freie Bein, was jedoch ein zu großes Gewicht auf ihr feststeckendes Knie verlagerte. Ein stechender Schmerz durchfuhr ihren Körper.
    Das Knarzen kam näher. Sie konnte nichts weiter tun, als wie eine Piñata herumzuhängen und darauf zu warten, herabgeschlagen
zu werden. Sie versuchte zu schreien, aber ihr Atem kam ihr lediglich als flaches Keuchen über die Lippen. Das Einzige, was sie hervorbrachte, war ein jämmerliches Fiepen.
    Reiß dich zusammen, ermahnte sie sich. Bloß keine Panik. Wenn du schreist, kannst du dich retten. Jemand wird dich hören und wissen wollen, was los ist. Du musst einfach nur genug Luft in deine Lungen bekommen.
    Sie versuchte es. Sie strengte sich an, wie sie sich in ihren achtundzwanzig Lebensjahren nie angestrengt hatte. Aber jedes Mal, wenn sie ein wenig Luft eingesogen hatte, entdeckte sie ein neues bekanntes Gesicht im Berg der Toten, und der Sauerstoff entwich ihrer Lunge erneut.
     
    Trotz ihres Widerwillens blieb ihr keine Wahl. Jessie Lee streckte die Arme nach ihrer besten Freundin Mandy aus, die oben auf dem Leichenberg lag. Sie vermied es, in das Gesicht zu blicken, dessen Augen vor Entsetzen weit aufgerissen waren. Der Hals war so weit aufgeschlitzt, dass man in ihn hineinschauen konnte. Jessie Lee konzentrierte sich auf Mandys Hand. Es war dieselbe Hand, die sie gehalten hatte, als sie sich damals zusammen die nackten Jungs angeschaut hatten. Aber das war unendlich lange her. Damals hatten sie wie verrückt gekichert.
    Mandys Finger waren gespreizt, als ob sie erwartet hätte, dass man ihr etwas in die Hand legte. Jessie Lee streckte sich, aber es fehlten noch zehn Zentimeter. Sie versuchte, an den Knien hin und her zu schaukeln, wobei sie sich an einen alten Pausenhoftrick erinnerte. Beim ersten Mal berührte sie beinahe Mandys Finger. Beim zweiten Mal bekam sie diese zwar zu fassen, konnte sich aber nicht festhalten.
    Beim dritten Mal bekam sie Mandys Finger zu fassen und versuchte dann mit der anderen Hand ihr Handgelenk zu erwischen.

    Gütiger Himmel, sie ist noch warm.
    Instinktiv ließ Jessie Lee los, und die Panikwelle trug sie an den Rand der Hysterie. Es konnte einfach nicht sein. Vor weniger als einer Stunde hatte sie ihre Hochzeit geplant und von dem Extraluxus geschwärmt, den sie sich mit dem Lotteriegewinn leisten würde. Jetzt hing sie mit dem Kopf nach unten über einem Haufen toter Freunde und Nachbarn, während ein Psychopath versuchte, sie ebenfalls zu ermorden.
    Sie ballte die Fäuste und trommelte mehrere Male auf ihre Oberschenkel. Sie versuchte, sich zu konzentrieren und sich Mut einzuprügeln. Dann begann sie erneut, hin und her zu schaukeln. Als sie Mandys Hand endlich wieder zu fassen bekam, hielt sie sich daran fest und zog. Sie zog so stark wie sie konnte.
    Aber statt sich zu befreien, zog sie Mandy von dem Totenberg herab. Ihre ermordete Freundin schlitterte über die Leichen und rutschte dann mit dem Kopf zuerst den Stapel hinunter. Jessie Lee versuchte, nicht loszulassen, aber die Belastung wurde für ihre Knie zu viel, und Mandy glitt zu Boden. Sie landete in einer Blutpfütze, die Arme und Beine von sich gespreizt, während ihre Augen Jessie Lee anzuklagen schienen.
    Jessie Lee wollte erneut

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