Angst über London
zuckte plötzlich zusammen, rutschte auf ihrem Thron weiter nach vom und legte den Kopf in den Nacken.
Dabei stieß sie ein bedauernswertes Stöhnen aus. Die Finger ihrer Hände krampften sich hart um die steinernen Lehnen, so dass die Knöchel spitz hervortraten. Schwer holte sie Atem.
Ich stand auf dem Sprung. Sollte es schlimmer werden, würde ich ihr zu Hilfe eilen.
Es war nicht nötig, sie entspannte und entkrampfte sich wieder, aber mit ihrem Gesicht ging eine Veränderung vor. Mir kam es vor, als hätte sich ein zweites, schemenhaftes dar übergelegt, das sich jetzt wie eine Maske auf ihre Haut drückte und in sie eindrang. Sogar so, dass sie das erste völlig verdrängte. Ein neues entstand.
Fasziniert und auch angewidert beobachtete ich weiter. Denn das neue Gesicht war mir beileibe nicht unbekannt. Ich hatte es schon des Öfteren gesehen.
Es gehörte - Asmodina!
Die Teufelstochter ergriff von Miriam di Carlo Besitz. Sie war wie ein Dybbuk, jenes Geistwesen, das sich in einem Gastkörper festsetzte, ihn übernahm und den Menschen zu einer völlig anderen Person machte.
Allerdings war es hier noch schlimmer, denn nicht nur Miriams Geist veränderte sich, sondern auch ihr Gesicht. Es wurde breiter, die Haare nahmen eine andere Farbe an.
Aus dem Braun wurde das knallige Rot der Teufelstochter, so wie sie mir leider in Erinnerung war. Auch der Mund vergrößerte sich, die Wangenknochen sprangen etwas spitzer hervor, aber das schlimmste war das Wahrzeichen. Es würde irgendwann erscheinen. Die beiden Hörner!
Plötzlich platzte die Haut auf der Stirn einfach weg. Es trat jedoch kein Blut hervor, sondern zwei dicke, beulenartige Auswüchse. Sehr rasch vergrößerten sie sich, wurden länger und liefen an ihren oberen Enden spitz zu. Teufelshörner eben!
Aus Miriam di Carlo war Asmodina, die Tochter des Teufels, geworden!
Tief atmete ich durch. Ähnliches hatte ich in den letzten Minuten geahnt, doch nun bekam ich den Beweis präsentiert. Und vielleicht auch eine Erklärung?
Ich hoffte es.
Asmodina alias Miriam lachte mich an. Es war ein böses, galliges Lachen, denn freundlich hatte ich die Teufelstochter noch nie gesehen.
Sie liebte das Grauen, unterstützte es, schürte es und war die Sendbotin des Chaos.
»John Sinclair!« sagte sie. »Es hat lange gedauert, aber nun hat dich dein Weg hierhergeführt. Ein Weg voller Schrecken, Panik und Angst, ein Weg, wie ich ihn haben will. Hast du damit gerechnet?«
»Ja.«
»Ich glaube dir sogar, denn dich kann man kaum noch erschüttern. Aber du bist doch reingefallen. Erinnerst du dich noch an die Bar, in der du Miriam geküsst hast? In Wirklichkeit hast du mich geküsst, Sinclair!«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, das lasse ich mir von dir nicht einreden, denn wäre dies tatsächlich der Fall gewesen, so hätte mein Kreuz reagiert. Bluffen kannst du mich nicht.«
Asmodina verzog die Mundwinkel. Sie vertrug es überhaupt nicht, wenn man sie als Lügnerin hinstellte und ihr dies auch noch bewies.
»Auf jeden Fall hat dich die kleine Miriam in die Falle gelockt. Da beisst keine Maus den Faden ab, und das war schließlich der Sinn der Sache.«
»Wie schlecht muss es dir ergehen«, spottete ich, »wenn du, nur um mich zu bekommen, eine ganze Stadt in Schutt und Asche legst. Unzählige Menschen opferst und was weiß ich alles anstellst. Nein, du bist jämmerlich, Asmodina. Mehr kann und will ich dazu nicht sagen. Du greifst zu Mitteln, die in keinem Verhältnis zum Erfolg stehen. Ich wäre freiwillig gekommen, wenn ich den Weg zu dir gekannt hätte. Ich kam auch vor nicht allzu langer Zeit in die Schädelwelt und habe Destero, deinen Henker, getroffen. Da ist er mir leider entkommen…«
»Und heute entkommst du ihm nicht!« schrie Asmodina. »Kann sein.«
Sie hob den rechten Arm und ballte die Hand zur Faust. »Sinclair, Geisterjäger, nur wegen dir habe ich das alles gemacht. Ich habe die Untoten erschaffen, ich habe eine Stadt zerstört, aber niemand wird davon etwas wissen, denn mir ist es gelungen, die Zeit anzuhalten!«
»Wie?«
Jetzt lachte sie auf, als sie mein verdutztes Gesicht sah. Ich war perplex.
Asmodina hatte mit derzeit manipuliert. Sie hatte sie auf magische Art und Weise angehalten, das hieß, dass sämtliche Bewegungen und normale Aktivitäten erstarrt sein mussten, und das Leben, so wie ich es erlebt hatte, unter der magischen Zeitglocke weiterlief. London war einerseits zerstört, andererseits wiederum nicht. Ich kam aus meiner
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