Angst vor dem zweiten Anfang: turbulante Familiengeschichte (German Edition)
eine Bedrohung für ihre geistige Gesundheit!
„Es war sehr aufmerksam von Herrn Kluger, den Tisch für uns zurückzubringen“, erwiderte Sanna ihrem Sohn.
Wieder sah sie Johannes an, hielt ihren Blick aber auf sein Kinn geheftet. Sie konnte ihm einfach nicht in die Augen schauen. „Danke, Johannes.“
„Keine Ursache. Die Kinder haben mir geholfen, die Bänke zu tragen, und mir gezeigt, wo alles hinkommt.“
Er hat eine wundervolle Kinnlinie, dachte sie. Sie war fest und klar und vermittelte einem den Eindruck von Stärke. Ein leichter Bartschatten lag auf seinen Wangen. Sie erinnerte sich an das raue Gefühl seiner Wangen an ihrer Haut.
Wieder riss sie ihren Blick von Johannes los und schaffte es, ihre Kinder anzulächeln. „Danke, dass ihr so schön geholfen habt.“ Sie sah sich im Garten um. „Habt ihr auch geholfen, hier draußen aufzuräumen?“
„Herr Kluger hat sich um den Müll und das Zeug gekümmert“, erklärte Jonas. „Wir haben die Spielsachen aufgeräumt und alle Essensreste in die Küche gebracht.“ Der Junge trat einen Schritt näher an Johannes heran und lächelte zu ihm auf.
Sanna seufzte. Normalerweise musste sie zu Bestechung, Drohungen und einem strengen Tonfall greifen, wenn die Kinder irgendwo mithelfen sollten. Das gefiel ihr ganz und gar nicht. Jonas sah sie mit dem gleichen Ausdruck an wie damals, als Clara sie beide damit überrascht hatte, dass sie Jonas zum fünften Geburtstag einen Zwergleguan namens Egon geschenkt hatte, der gelegentlich aus seinem Käfig ausbrach und das Haus durchstreifte.
Es wäre etwas völlig anderes, einen eins neunzig großen Mann namens Johannes im Haus herum streifen zu haben.
Johannes musste von hier verschwinden, je eher, desto besser. „Jonas bedanke dich bei Herrn Kluger, dass er dir bei der Party geholfen hat. Ich bin sicher, er muss jetzt gehen, wir haben schon so genug von seiner Zeit in Anspruch genommen.“
„Aber Mama ...“, begann Jonas.
„Brummi“, sagte David.
Anna-Maria verschwand hinter den Fliederbüschen. Johannes stand einfach nur da und blicke Sanna an. Er wusste genau, was sie vorhatte, und er sah nicht allzu glücklich aus bei der Vorstellung, jetzt vor die Tür gesetzt zu werden.
David stapfte zu ihr hinüber und zupfte an ihren Shorts.
„Brummi“, wiederholte er, diesmal dringlicher.
Sanna nahm ihren müden Sohn auf den Arm. Wenn David müde war und schlafen wollte, bat er immer um seinen Lieblingsbären. Der Junge würde keine Minute eher Ruhe geben, bis er nicht im Bett lag und seinen geliebten Brummi im Arm hatte. Sie drückte ihren Jüngsten an sich.
„Jonas hör jetzt auf. Dein Bruder ist müde und muss schlafen. Bedank dich bei Herrn Kluger für seine Hilfe.“
Jonas trat gegen einen losen Stein auf dem Gartenweg und sah sie nicht an. „Danke, Herr. Kluger“, murmelte er.
„Gern geschehen, Jonas. Wenn du willst, kannst du mich Johannes nennen. Alle meine Freunde nennen mich Johannes.“
Jonas Kopf fuhr hoch. „Wirklich?“
„Sicher, warum nicht? Herr Kluger nennt jeder meinen Vater.“ Er lächelte den Jungen an, ehe er Sanna anblickte. „Warum bringst du David nicht ins Bett? Ich passe solange auf die beiden hier auf.“
„Du brauchst nicht ...“
„Bitte, Mama“, bettelte Jonas.
Sie hatte es kommen sehen und war dennoch nicht auf die Schuldgefühle vorbereitet, die sie überfielen. Jonas sah aus, als ob er gleich weinen würde, und alles nur, weil sie nicht mit Johannes alleine sein wollte. Sie war ein Feigling. Was für ein Beispiel gab sie damit ihren Kindern? Seufzend drückte sie David an sich. „In Ordnung, Jonas. Johannes kann eine Minute lang auf Anna-Maria und dich aufpassen. Ich bin gleich wieder da.“ Sie war zu nervös, um Johannes anzublicken, deshalb drehte sie sich um und floh ins Haus.
Johannes sah sie mit einer gewissen Erleichterung gehen. Er wusste, dass es ihr am liebsten wäre, wenn er von hier verschwände, und das hätte sie auch durchgesetzt, wenn Jonas nicht gewesen wäre. Der Junge konnte seine Mama um den kleinen Finger wickeln. Er nahm an, dass alle Kinder das konnten, besonders, wenn ihre Mütter ein so weiches Herz hatten wie Sanna.
Er hatte es ja auch geschafft, von seiner eigenen Mutter immer alles zu bekommen, was er hatte haben wollen, und er konnte nicht behaupten, dass sie ein weiches Herz gehabt hätte, aber ein gutes. Auch wenn Therese Kluger wichtigeres zu tun gehabt hatte, als ihn zum Schlafen in sein Bettchen zu legen und
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