Angst vor dem zweiten Anfang: turbulante Familiengeschichte (German Edition)
sahen ihn aus allen Richtungen an. Als ob das nicht schon genug wäre, war die Deckenleiste auch noch schreiend rot angemalt worden. Er hätte alles, was in seiner Brieftasche war, darauf verwettet, dass sich darunter handgeschnitztes Mahagoni verbarg. Wo ein eleganter Kronleuchter hätte hängen sollen, schaukelte eine schwarze Eisenmonstrosität von der Decke, die winzige Wetterfähnchen zwischen den Glühbirnen sitzen hatte. Den Boden zierte ein schlammfarbener Teppich.
Darauf stand ein brandneues rotes Fahrrad, auf das Jonas sich jetzt setzte.
„Deine Mutter hat dir ein Fahrrad geschenkt?“ vermutete Johannes.
„Nein. Tante Clara hat mir das Fahrrad gekauft. Sie kauft uns immer so coole Sachen zu den Geburtstagen und Weihnachten.“ Jonas nickte in Richtung eines Stapels von Hemden, Shorts, Jeans und einem Paar Turnschuhen. Angeekelt sagte er: „Meine Mama kauft uns immer Kleidung.“
„Ja, denn sonst würde es doch sehr komisch aussehen, wenn du nackt draußen spielen würdest, Jonas.“
Johannes drehte sich zu Sanna um, die lautlos zu ihnen getreten war. Sie stand da und betrachtete seufzend ihren Sohn. Sie wirkte nicht allzu glücklich über die Einschätzung ihrer Geschenke durch ihn. Er konnte ihr keinen Vorwurf daraus machen, obwohl er auch Jonas verstehen konnte. Für einen Siebenjährigen war ein Fahrrad nun mal ein besseres Geschenk als ein Stapel Kleidung. Unwillkürlich trat Johannes näher zu dem Jungen und lächelte Sanna an. Er wollte nicht, dass Jonas Arger mit seiner Mutter bekam, schon gar nicht wegen einer Äußerung, die er ihm gegenüber gemacht hatte.
„Jonas hat mir nur gezeigt, was er alles zum Geburtstag bekommen hat. Sieht so aus, als sei er reichlich bedacht worden.“
Jonas stieg vom Fahrrad. „Tut mir leid, Mama. Ich mag die Klamotten wirklich, und die Turnschuhe sind cool. Sam hat genauso ein Paar.“
Sannas Falten glätteten sich. „Ich weiß, dass du lieber etwas Cooles wie ein Fahrrad hast, Liebling, aber du hast dem Abkommen zugestimmt.“
„Ich weiß.“ Er grinste seine Mutter an. „Die Party war cool, Mama. Das haben alle gesagt.“ Er flitzte durch den Raum und warf sich in ihre Arme. „Danke, Mama.“ Er gab ihr einen Kuss. „Können wir zum Nachtisch noch Kuchen essen?“
Sanna lachte und gab ihm auch einen Kuss. „Du hast gerade erst aufgehört zu essen und redest schon wieder vom Nachtisch.“ Sie schüttelte den Kopf. „Warum gehst du nicht raus und spielst ein bisschen mit Anna-Maria? Über den Nachtisch unterhalten wir uns später.“
Jonas war schon halb durch die Tür, als ihm Johannes wieder einfiel. Er blieb stehen und sah den Mann an, den er für die Erfüllung seines persönlichen Geburtstagswunsches hielt.
„Bleibst du da?“
Johannes war sich nicht sicher. Das hing von Sanna ab, und sie schien gar nicht auf sein Bleiben erpicht zu sein. „Ich sage dir Auf Wiedersehen, ehe ich gehe“, versprach er Jonas.
Seine Antwort stellte den Jungen offensichtlich zufrieden, denn er sagte noch einmal „cool“ und sauste dann durch die Küche hinaus in den Garten.
Die Tür schloss sich vernehmlich hinter ihm, und irgendwo draußen, begann Rocco zu bellen. Johannes wusste, dass Sanna ihn gleich bitten würde zu gehen, und er hatte keine Ahnung, wie er darauf reagieren sollte. Er konnte sich nicht einfach weigern. Schließlich war sie hier zu Hause. Aber er wollte nicht gehen, zumindest jetzt noch nicht. Irgendwie wusste er, dass sie ihn, sollte, er ihre gemeinsame Nacht erwähnen, aus dem Haus und aus ihrem Leben drängen würde. Deshalb fragte er das Erste, was ihm einfiel. „Was war das für ein Abkommen zwischen dir und Jonas?“
Sie betrachtete den Stapel Kleidung, der in einer Ecke des Raumes lag. „Jonas durfte wählen, entweder eine kleine Feier mit seinen Großeltern, Tante, Kleidung und einem coolen Geschenk, oder eine große Feier, zu der er alle seine Freunde einladen darf, und die übliche Kleidung von Mama. Er hat sich für die große Feier entschieden.“
„Jetzt verstehe ich. Du hast dich nicht darüber geärgert, dass Jonas sich über die Kleidung beklagt hat, sondern darüber, dass er seinen Teil der Abmachung nicht eingehalten hat.“
„Er ist erst sieben, aber er muss es lernen, mit seinen Entscheidungen zu leben.“
„Das ist manchmal schwer.“
Er spielte auf nichts Besonderes an, aber aus ihrem Erröten erkannte er, dass sie an die Entscheidung dachte, die sie vor zwei Monaten getroffen hatte: die
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