Angst vor dem zweiten Anfang: turbulante Familiengeschichte (German Edition)
war, war zu groß gewesen. Das erste Mal, als sie sich geliebt hatten, hatten sie es kaum bis zum Bett geschafft.
Ihr Erröten verriet ihm, dass ihr bewusst war, was sie ihm gerade verraten hatte. Er war der erste Mann, der sie nach ihrem Ehemann wieder berührt, gehalten, geliebt hatte. Er erkannte auch, dass sie nicht bereit war, über ihre Nacht zu sprechen. Aber das störte ihn nicht. Er machte sich um die Vergangenheit ohnehin nicht allzu viele Sorgen. Was ihn beunruhigte, war die Zukunft. Ihre Zukunft.
„Liebst du deinen Mann noch immer?“ Das musste die Erklärung sein. Sie liebte den Mann noch zwei Jahre nach seinem Tod. Warum sonst sollte sie keine Einladung annehmen? Zwei Jahre waren mehr als eine angemessene Trauerzeit.
„Das ist eine sehr persönliche Frage.“
„Vieles von dem, was wir gemacht haben, Sanna, war sehr persönlich.“ Er krümmte sich innerlich, als sie blass wurde. Jetzt würde sie ihm die Tür weisen, und er konnte es ihr nicht übelnehmen. Er hätte ihren Ehemann nie erwähnen sollen. Und ganz bestimmt hätte er nicht so offen über ihre gemeinsame Nacht reden sollen.
Jedes bisschen Raffinesse und Takt verließen ihn, sobald er auf Sichtweite an sie herankam.
Ihr Blick klebte am Boden. „Meine Gefühle für Rainer haben nichts damit zu tun, dass ich nicht ausgehe.“
Es entging ihm nicht, dass sie seine Frage nicht direkt beantwortet hatte. Johannes verfolgte das Thema nicht weiter; dafür war er viel zu froh darüber, dass sie nicht gesagt hatte, er solle sich verabschieden, und zwar für immer. Aber wenn ihr Ehemann nicht der Grund war, was dann? Wer oder was dann?
Sie versteifte sich und hob das Kinn. „Die Gründe dafür haben drei Namen: Jonas, Anna-Maria und David.“
„Deine Kinder?“
„Kennst du noch andere Jonas, Anna-Marias und Davids?“
Nun war er verwirrt. Wie passten die Kinder da hinein? Er wusste, dass sie Kinder hatte. Millionen alleinstehender Mütter auf der ganzen Welt nahmen Einladungen an. Alleinstehende Väter auch. Manchmal verabredeten sie sich sogar miteinander. „Was hat die Tatsache, dass du Kinder hast, damit zu tun, dass du dich nie verabredest?“
Sanna seufzte so tief, dass es vom Grund ihrer Seele zu kommen schien. „Ich glaube, man muss Kinder haben, um das verstehen zu können, Johannes.“
„Erklär es mir, Sanna. Ich möchte es verstehen.“
Diesmal klang ihr Seufzen mehr wie ein Stöhnen, aber sie antwortete dennoch. „Was soll ich deiner Meinung nach mit Jonas, Anna-Maria und David machen, während du mich zum Abendessen ausführst? Versuchen, an einem Samstag um vier Uhr einen Babysitter zu kriegen?
Die Chance, dass Außerirdische im Vorgarten landen, ist wesentlich größer, als um diese Tageszeit einen zuverlässigen Babysitter zu finden. Teenager haben heutzutage Wichtigeres zu tun, als auf kleine Kinder aufzupassen. Man muss auf der Straße herumhängen, Nabel piercen, warten, dass blaue Haarfärbemittel wirken. Jedes Mal, wenn ich zum Essen oder ins Kino gehen will, soll ich einen Fremden bezahlen, damit er auf meine Kinder aufpasst? Ich würde auch nicht meine Eltern anrufen, damit sie aufpassen, während ich die Stadt unsicher mache. Sie arbeiten beide noch ganztags, und außerdem sind es meine Kinder, für die ich verantwortlich bin, nicht sie. Ich kann auch schlecht meine Schwiegereltern anrufen, damit ich mit einem anderen Mann ausgehen kann, nicht wahr?
Von dem emotionalen Aufruhr, in den meine Verabredung mit einem anderen Mann meine Kinder stürzen würde, will ich gar nicht erst reden. Sie würden dich oder einen anderen Mann ablehnen, weil du ihnen die Zeit mit ihrer Mama stiehlst. Das sind doch die besten Voraussetzungen für eine gute Beziehung. Oder noch schlimmer stell dir vor, den Kindern gefiele der Mann, mit dem ich ausgehe, und sie halten ihn für den Größten? Was passiert, wenn die Beziehung dann vorbei ist? Dann sind nicht nur zwei Erwachsene davon betroffen, sondern zusätzlich werden drei unschuldige Kinder verletzt.“
Johannes hätte fast gelächelt. Offensichtlich hatte Sanna sich ihre Rede gut überlegt und feuerte aus allen Geschützen. Die meisten, nein, alle ihre Argumente waren berechtigt, aber dennoch gefiel ihm ihre Antwort nicht. Wie sah denn die Alternative aus? Sollte sie vergessen, dass sie eine Frau war, bis die Kinder erwachsen waren und ein eigenes Leben hatten?
„Das klingt ganz so, als hättest du schon öfter über das Thema nachgedacht“, sagte Johannes. Dabei fand
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