Angst vor dem zweiten Anfang: turbulante Familiengeschichte (German Edition)
dass sie hier wohnte. Es war reiner Zufall gewesen, dass sie sich wieder getroffen hatten. Ja, er hatte sie in den zwei Monaten nicht vergessen können. Immer wieder hatte er gehofft, sie irgendwann wieder zu treffen. Und nun war es passiert. Er hatte sie wieder getroffen in ihrem Reich, umgeben von lauten Kindern, haarigen Hunden und in diesem grässlich blauen Haus. Er hatte sie gesehen und war noch mehr von ihr begeistert als damals im Hotel.
Sie trat von einem Fuß auf den anderen, hatte den Blick gesenkt. „Deshalb bist du doch noch nicht gegangen, Johannes.“
„Ich will dich nicht anlügen, Sanna. Natürlich will ich dich wieder in meinem Bett haben, aber es ist nicht der Grund, warum ich noch hier bin.“
„Warum denn?“ Sie war bei seinen offenen Worten errötet.
„Ich wollte dich nachher zum Abendessen einladen.“
„Zum Abendessen?“
Fast hätte er über ihr überraschtes Gesicht gelacht. Was hatte sie denn erwartet, dass er sie zum nächsten Bett schleppen und über sie herfallen würde? Das war an sich keine schlechte Idee, aber seine Eltern hatten ihn zu einem Gentleman erzogen. „Gehst du nicht gern essen?“
„Ich ...“ Sie sah hinaus in den Garten, wo die Kinder spielten.
„Ich gehe nicht aus, Johannes. Es tut mir leid, wenn du einen falschen Eindruck von mir bekommen hast.“
Er wusste nicht, ob er über ihre Dickköpfigkeit wütend sein oder über die Absurdität des Ganzen lachen sollte. Es tat ihr leid, wenn sie ihm einen falschen Eindruck vermittelt hatte! Diese Frau hatte eine ganze Nacht in seinem Bett verbracht, hatte diese Nacht zur wunderbarsten seines ganzen Lebens gemacht, und nun machte sie sich Sorgen darüber, er könnte einen falschen Eindruck von ihr bekommen haben! Himmel, der Eindruck, den er von ihr hatte, war der, dass er endlich jenes fehlende Teil gefunden hatte, das sein Leben komplett machte! Und deshalb würde er sich jetzt nicht einfach so wegschicken lassen.
„Was meinst du damit, dass du nicht ausgehst? In der Nacht, als wir uns kennengelernt haben, hast du mir erzählt, deine Verabredung sei wegen eines Notfalls abberufen worden.“
„Das war keine richtige Verabredung.“
„Wie hat man denn eine falsche?“
Sanna seufzte und schaute weiter nach draußen zu den Kindern. „Es war ein Geburtstagsgeschenk von meiner Schwester. Sie hat mir die Reise nach Berlin geschenkt. Ich mag Berlin und bin gerne hier.. Sie hat auch auf die Kinder aufgepasst und mir einen Begleiter für den Abend besorgt.
Ihr Kollege Fabian war so nett, mich hinterher zum Essen einzuladen, aber er wurde zu einem Notfall gerufen, als der Nachtisch serviert wurde.“
„Was war das für ein Notfall?“
„Ein Autounfall, bei dem sich ein Siebenjähriger komplizierte Knochenbrüche zugezogen hatte. Fabian Falk ist Chirurg an der Charité in Berlin. Er ist auf Kinderheilkunde spezialisiert.“
Johannes stieß einen leisen Pfiff aus. Dr. Fabian Falk sollte heiliggesprochen werden, sowohl wegen seines Berufes als auch deshalb, weil er es geschafft hatte, aus einem Restaurant zu gehen und Sanna allein dort zurückzulassen. Er musste dem guten Doktor lebenslang dankbar sein. „Wie oft hat Dr. Falk dich seitdem angerufen?“
„Dreimal.“
Johannes fing an, Dr. Falk weniger zu mögen. „Wie oft wollte er mit dir ausgehen?“
„Dreimal.“
„Wie oft hast du ja gesagt?“
„Kein Mal.“
„Jetzt weißt du, warum ich persönlich vorbeigekommen bin, statt dich anzurufen. Es ist zu einfach, am Telefon nein zu sagen.“
Sie sah ihn wieder an. „Ich sage auch jetzt nein, Johannes.“
Er bemerkte den entschlossenen Zug um ihren Mund. Statt mit ihr zu diskutieren, fragte er noch einmal: „Warum gehst du nicht aus? Es mangelt dir doch sicher nicht an Einladungen. Du bist eine schöne und intelligente Frau.
Du willst mir doch nicht erzählen, dass dein Abend mit Dr. Falk die erste Verabredung seit dem Tod deines Mannes war?“
„Ich will dir nichts erzählen.“
Johannes schlug das Herz bis zum Hals. Was sie sagte, stimmte. Seit ihr Mann vor zwei Jahren gestorben war, war sie mit niemandem mehr ausgegangen. Und das bedeutete, dass er der erste Mann gewesen war, seit ... Gott sei ihm gnädig. Wenn er das gewusst hätte, hätte er ... Hätte er was? Sie mit mehr Zärtlichkeit behandelt? Sich mehr Zeit gelassen? Er hoffte, dass er beides getan hätte, aber tief innerlich bezweifelte er, ob es viel anders gelaufen wäre. Die Hitze, die zwischen ihnen explodiert
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