Angst vor dem zweiten Anfang: turbulante Familiengeschichte (German Edition)
Eltern Arzt geworden.“ Nicht ertragen! So konnte man es auch ausdrücken, dass er jedes Mal mit dem Gesicht zuerst auf den Boden fiel, sobald er die dunkelrote Flüssigkeit sah. Seine Eltern hatten es mit Gelassenheit genommen, dass er nicht in ihre riesigen Fußstapfen trat, und das Thema zum Glück nicht weiter verfolgt, wofür er ihnen ewig dankbar war.
„Ach, das ist die Erklärung. Und warum bist du Bauingenieur geworden?“
„Hässliche Gebäude.“
„Hässliche Gebäude?“
„Überall habe ich hässliche Gebäude und scheußliche Häuser gesehen. Du kennst das sicher, alles beige, die gleichen Haustüren, die gleichen Garagentore, sogar die gleichen Büsche unter dem Esszimmerfenster. Nichts davon war individuell. Es war, als ob jemand die Häuser geklont hätte, und ich habe mich gefragt, ob die Menschen, die darin wohnen, vielleicht auch geklont sind.“
„Wie alt warst du da?“
„Zehn.“ Er lächelte, als er sie leise lachen hörte. „Ich habe mit den Jahren gelernt, dass die Leute nicht geklont waren, aber diese hässlichen Häuser haben mir immer noch nicht gefallen. Schuld daran waren die Architekten, also habe ich mir gesagt, dass ich auch einer werden muss, um etwas ändern zu können.“
„Sowohl logisch als auch talentiert. Ich bin beeindruckt.“
„Danke, aber logisch bin ich nur in manchen Dingen.“
„In welchen?“, fragte sie.
„Arbeit, Geld, solche Sachen.“
„Und wobei bist du nicht logisch?“
Er brauchte ein bisschen Zeit, um auf die Frage zu antworten. Die Antwort war sehr persönlich, und er wusste nicht, wie sie darauf reagieren würde. „Bei dir, Sanna. Ich bin nicht logisch, was dich betrifft.“
Das „Oh“, das durch den Hörer kam, verklang. Es folgte ein langes Schweigen.
Er wartete darauf, dass sie mehr dazu sagte, und als nichts kam, fragte er: „Ist das alles, was du dazu zu sagen hast?“
„Ich weiß nicht, was für eine Antwort du erwartest; Johannes.“
„Folge deinen Instinkten, Sanna. Du kannst dir auch Zeit nehmen, erst mal darüber nachdenken, wenn es sein muss.“
„Das letztemal, als ich etwas Unlogisches getan habe, bin ich in einem fremden Hotelzimmer zusammen mit einem Mann aufgewacht, den ich gar nicht kannte.“
Er hörte die Selbstironie und vielleicht eine Spur Humor in ihrer Stimme. Hatte sie die Verlegenheit über den Abend, an dem sie sich kennengelernt hatten, endlich doch überwunden?
Er war sich bewusst, dass sie zu einer Verständigung kommen mussten, was diesen Abend anging, wenn sie eine Zukunft haben wollten. Denn je besser er Sanna kennenlernte, desto mehr wünschte er sich eine gemeinsame Zukunft für sie beide. So hatte er noch nie zuvor für eine Frau empfunden, auch nicht für seine Ex-Verlobte.
Und das war so, weil er Sanna liebte! Er wusste nicht, warum er das nicht schon eher begriffen hatte, aber nun wusste er es in aller Klarheit. Er liebte Sanna. Es spielte keine Rolle, dass sie drei Kinder hatte. Es spielte keine Rolle, dass sie in einem blauen Alptraum lebte. Es spielte nicht einmal eine Rolle, dass sie nicht ausging.
Er war in Susanna Altmann verliebt und konnte es ihr nicht sagen. Sonst würde sie soweit rennen und so viele Schutzwälle errichten, wie sie nur konnte, wenn er sich ihr das nächste Mal näherte. Jede Frau, die nicht einmal ausging, würde bei dem Wort „Liebe“ in Panik geraten.
Er musste langsam vorgehen, vorsichtig. „Das gilt für uns beide, Sanna“, antwortete er schließlich. „Ich bin aufgewacht und hielt auch jemanden in den Armen, den ich nicht kannte.“ Nun war es ausgesprochen, und sie konnten darüber nachdenken. „Ich habe so etwas noch nie zuvor getan. Heutzutage ist das etwas völlig Unlogisches.“
„Also bist du unlogisch, ich bin unlogisch, und wir haben beide etwas Unlogisches getan?“
„Nein, Sanna, was zwischen uns geschehen ist, war etwas Herausragendes. Logik hatte, damit nichts zu tun.“ Wer hatte schon davon gehört, dass Liebe logisch wäre?
Sanna lachte kurz auf. „Das brauchst du mir nicht erst zu sagen.“
Er grinste. Also stimmten sie wenigstens in einem Punkt überein. „Dass die Nacht herausragend war?“
„Das meinte ich nicht.“ Ihr ungeduldiger Seufzer erklang durch das Telefon. „Ich meinte den Teil, dass Logik nichts damit zu tun hatte.“
Sie klang so verwirrt, dass er lächeln musste. Sie wusste nicht, was sie denken sollte, und auch er wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte, nun, wo sein Herz endlich
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