Angst vor dem zweiten Anfang: turbulante Familiengeschichte (German Edition)
Schultern tragen und für Rocco den zerkauten roten Ball werfen. Er wollte Sanna helfen, diese grässliche Hähnchentapete von der Wand im Esszimmer zu reißen. Am liebsten aber wollte er sich zu Sanna ins Bett legen und sie lieben, bis dieser Schmerz aufhörte.
Johannes schloss die Augen und kämpfte gegen sein Verlangen an. Er brauchte seine Beherrschung. Er hatte seine Angestellten schon mit seiner mangelnden Konzentration und Ungeduld verwirrt. Selbst seine Sekretärin, die schon von Anfang an für ihn arbeitete, hatte ihm seltsame Blicke zugeworfen.
Das musste ein Ende haben.
Er hatte Sanna genug Zeit gegeben, um über alles nachzudenken. Er griff nach dem Branchentelefonbuch und suchte die Seite mit den Blumengeschäften heraus. Zeit, dass er etwas unternahm. Er wollte Sanna nicht wegen eines Geistes aus ihrer Vergangenheit verlieren. Nicht mal, wenn dieser Geist ihr Ehemann und Vater ihrer Kinder war.
Sanna betrachtete die Vase mit den zwölf langstieligen weißen Rosen und wusste, dass sie Johannes hereinlassen würde, wenn er in ein paar Minuten kam. Die Blumen waren am späten Nachmittag geliefert worden, dazu eine kurze Nachricht: Bring die Kinder bis zehn Uhr ins Bett, Johannes. Erst hatte es sie verletzt, dass er ihre Kinder ausklammern wollte, aber dann hatte sie darüber nachgedacht. Johannes tat nur, was sie wollte. Wenn er heute Abend kam, würden die Kinder schon im Bett liegen, und sie brauchte sich keine Sorgen darum zu machen, dass ihre Bewunderung für Johannes sich noch weiter steigern würde.
Seine Abwesenheit während der Woche war von den Kindern sehr wohl bemerkt worden. David hatte mindestens zweimal am Tag gefragt, wo Johannes war. Anna-Maria hatte gewollt, dass sie ihn anrief, und wollte wissen, ob er am Samstag mit ihnen ins Schwimmbad käme, und Jonas ... Jonas wurde zum Problem. Ihr ältester Sohn war das ganze Wochenende über böse mit ihr gewesen. Jonas glaubte, dass sie hinter Johannes Verschwinden steckte. Und sie konnte nicht mal widersprechen. Er hatte ja recht.
Sie war es gewesen, die Johannes neulich praktisch aus dem Haus geworfen und ihm gesagt hatte, dass er nicht zurückkommen solle. Er war mit der Ankündigung gegangen, dass er wiederkommen würde, und sie hatte die letzten Tage einen heftigen, inneren Kampf mit sich selbst ausgefochten. Immer, wenn das Telefon klingelte oder jemand an die Haustür klopfte, war sie zusammengezuckt, und immer umsonst.
Der Rosenstrauß war das erste Zeichen von Johannes nach fünf Tagen, und ihr süßer Duft brachte ihr Herz zum Schmelzen. Es war so lange her, dass sie jemandem wichtig genug gewesen war, dass er ihr Blumen schickte. Um die Wahrheit zu sagen, war es auch lange her, dass ihr jemand, außer den Kindern und ihrer großen Familie, wichtig war. Johannes ließ sie sich lebendig fühlen, und das machte ihr Angst.
Ihre Angst hatte sie dazu veranlasst, ihn aus der Tür und aus ihrem Leben zu drängen. Doch Johannes war nicht der Typ, der sich einfach zu etwas drängen ließ. Sie beugte sich über eine zarte weiße Blüte und atmete tief deren Duft ein. Ein kleines Lächeln umspielte ihren Mund. Es schien, als hätte nun Johannes seinerseits mit ein bisschen Drängen begonnen. Der Duft ein Dutzend weißer Rosen war mehr als nur ein bisschen.
Sie wusste nicht, wovor sie mehr Angst hatte: dass Johannes ihr das Herz brechen könnte oder dass eine Beziehung mit ihm negative Auswirkungen auf die Kinder haben könnte. Sie hatte doch Sam und seine beiden Halbschwestern jeden Tag vor Augen und wusste, dass es eine Menge ungelöster Probleme mit Monas Familie gab. Aber bedeutete das denn, dass ihre Kinder das gleiche erleiden mussten? Nein, eigentlich glaubte sie nicht daran, hatte es nie wirklich geglaubt, sondern es nur als Ausrede benutzt. Was für ein beunruhigender Gedanke. Schadete sie ihren Kindern am Ende sogar damit, dass sie keine Vaterfigur in ihrem Leben zuließ?
Jonas brauchte ganz offensichtlich einen Vater, sonst hätte er sich keinen Papi zum Geburtstag gewünscht. Kleine Jungen wollten jemanden haben, der mit ihnen Fangen spielte, der ihnen beibrachte, wie man einen Ball warf, der sie zum Angeln mitnahm, ohne die Augen zu schließen, wenn er den Köder auf den Haken spießte.
Sie konnte den Kindern alle Liebe und Zeit geben, ihnen das Ballwerfen beibringen und sie zum Angeln mitnehmen, aber sie konnte ihnen nie den Vater ersetzen. Sie würde immer ihre Mutter sein.
Sie zuckte zusammen, als ein
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