Angst vor dem zweiten Anfang: turbulante Familiengeschichte (German Edition)
ihn wie einen Frühlingsregen, frisch und lebendig, die Quelle neuen Lebens. Diese Sanna hatte er finden wollen, nicht die schweigsame, höfliche Frau, die ihm die Tür geöffnet hatte.
„Wenn er kein Wachhund ist, wozu ist er denn da?“ Er blickte noch einmal durch die Hintertür und grinste, als er sah, wie ein Glühwürmchen auf Roccos Nase landete. Zumindest hielt er es für die Hundenase. Bei all den Haaren konnte man das nicht so genau erkennen. Rocco rührte sich auch nicht, als das Leuchten des Käfers verblasste und dann wieder heller wurde.
„Warum soll er für irgendetwas da sein?“, fragte Sanna.
„Können wir nicht einen Hund haben, nur um einen Hund zu haben?“
So hatte er das noch nie gesehen. Er hatte als Kind keine Katze haben dürfen, weil seine Mutter allergisch gegen Katzenhaare war. Der Hund, den er sich gewünscht hatte, als er so alt war wie Jonas, war von seinem Vater mit dem Argument abgelehnt worden, dass sie schon die beste Alarmanlage hätten, die man für Geld kaufen konnte. Johannes konnte sich nicht vorstellen, wie seine Mutter reagiert hätte, wenn er sich einen Leguan gewünscht hätte.
Er hatte ein Aquarium haben dürfen, weil seine Eltern darin übereinstimmten, dass es entspannend auf ihn wirken würde, wenn er den schwimmenden Fischen zusähe. Sie hatten recht gehabt. Nun fragte er sich, was wohl aus dem Aquarium mit dem Taucher und einer Schatztruhe voller Spielgeld geworden war.
Noch einmal sah Johannes Rocco an. „In Anbetracht dessen, was er dich kostet, hätte ich vermutet, dass er noch etwas anderes kann, als seine Haare im ganzen Haus zu verstreuen.“
„Er liebt uns, das reicht uns.“
Der Hund liebte sie, deshalb wurde er verwöhnt und gehätschelt. Johannes fragte sich, ob das Gleiche wohl auch für einen Mann galt. Würde Sanna ihn in ihrem Leben willkommen heißen, nur weil er sie liebte? Ein verlockender Gedanke!
Er versank in ihren grünen Augen und spürte, wie sein Herz ihr zuflog. Sie zog ihn so unwiderstehlich an, dass er gar nicht anders konnte, als ihr dorthin zu folgen, wohin auch sie ging. War das Liebe?
Er lächelte leicht. „Was für ein glücklicher Hund er ist, Sanna.“
Sanna sah den Hund an, dann wieder Johannes.
„Vielleicht sind wir die Glücklichen.“
Er beobachtete, wie sein Glas beschlug. „Vielleicht.“
Sanna merkte ihm an, dass ihn etwas sehr bedrückte. Sie fragte sich, ob sie ihm erzählen sollte, dass sie noch einmal darüber nachgedacht hatte, mehr als einmal, ob sie ihn wirklich für immer wegschicken sollte. Und obwohl sie nicht viel Erfahrung mit Männern hatte, schließlich gab es nur ihren früheren Mann und Johannes, wusste sie dennoch, dass das, was zwischen Johannes und ihr vorging, etwas ganz Besonderes war. Die Nacht im Hotel war ein einziger Rausch der Sinne gewesen. Sanna hatte Angst, ihren Erinnerungen zu glauben, weil sie nicht mehr wusste, was echt und was Einbildung war. Aber als Johannes sie vor ein paar Tagen in die Arme genommen und geküsst hatte, hatte sie es wieder gewusst. Ihre Erinnerungen waren nichts verglichen mit dem, was geschah, wenn sie in seinen Armen lag.
Johannes war ein ganz besonderer Mann, und sie wäre verrückt, ihn ein zweites Mal aus ihrem Haus zu werfen. Sie war immer stolz darauf gewesen, sich so gut in der Hand zu haben. Zumindest war es so gewesen, bis Johannes diese Leidenschaft in ihr Leben gebracht und es gleichzeitig in ein Chaos verwandelt hatte. Wenn Johannes heute nicht die Blumen geschickt hätte, hätte sie es wahrscheinlich nicht mehr ausgehalten und ihn von sich aus angerufen.
Aber sie wollte dieses Gefühlschaos. Sie wollte, dass Johannes sie wieder in die Arme nahm und küsste. Sie wollte sich wieder lebendig fühlen.
Doch Johannes sah im Moment nicht so aus, als wollte er sie oder sonst jemanden in die Arme reißen. So besorgt, wie er dreinschaute, war Sanna gar nicht sicher, ob sie wirklich wissen wollte, woran er dachte.
„Willst du mir sagen, warum du vorbeigekommen bist?“
„Weil ich mit dir über etwas reden muss, Sanna.“
„Worüber?“
„Über meine Verlobte.“
„Deine Verlobte?“ Gütiger Himmel, Johannes war verlobt. „Du bist verlobt?“
„Nein, ich meine, meine Ex-Verlobte, Gitta Weiß.”
Sanna konnte wieder atmen. Das war schon besser. Er war nicht mit einer anderen Frau verlobt.
Johannes lächelte zögernd, ehe er weitererzählte. „Ich kenne Gitta seit Jahren. Wir haben uns in den gleichen
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