Angst vor dem zweiten Anfang: turbulante Familiengeschichte (German Edition)
hörte nicht mehr zu. Johannes wollte keine Kinder! Alle ihre Träume und Phantasien waren umsonst gewesen. Johannes war also doch nicht der richtige Mann für sie.
„Hast du mich gehört, Sanna?“
Sie blinzelte. „Was?“
„Ich habe gefragt, ob du mich gehört hast?“
„Ja, du hast gesagt, dass du keine Kinder willst.“ Nun, wenn man bedachte, wie viele Tausende, nein Millionen von Menschen keine Kinder haben wollten, war das nicht ungewöhnlich. Es regte sie nicht auf. Sie war kein bekehrter Raucher, der nun alle anderen dazu bewegen wollte, seinem Beispiel zu folgen. Nur weil sie Mutter war, hieß das nicht, dass sie auch alle anderen Frauen als Mütter sehen wollte.
Es war wirklich besser, wenn manche Leute keine Kinder bekamen. Es war ihr, Sannas, persönliches Pech, das sie sich in so jemanden verliebt hatte.
„Hast du auch den Teil gehört, dass es mir Angst macht zu merken, dass das vielleicht gar nicht stimmt?“
„Das mit dem Kinderkriegen?“ Was sagte er da? Was hatte sie überhört?
„Sanna hör doch zu. Ich sage es nur noch einmal. Ich habe gesagt, du und deine Zwergenbande, ihr habt mich dazu gebracht, darüber nachzudenken, was ich verpassen würde, wenn ich keine eigenen Kinder hätte.“
Eigene Kinder! O je. Eigene Kinder waren etwas ganz anderes als fremde Kinder. „Wovon sprichst du eigentlich?“
„Davon, meinem Sohn zuzusehen, wie er Fußball spielt.“
„Und was ist mit deiner Tochter?“
„Was ist mit der Tochter?“
„Warum kannst du nicht deiner Tochter beim Fußballspielen zusehen?“
Johannes lachte. „Du hast recht. Also: Ich würde gern meinem Sohn oder meiner Tochter beim Fußballspielen zusehen, feuchte Küsschen bekommen und klebrige Finger spüren; nicht zu vergessen die Haustiere.“
„Du musst die Couch loswerden.“
„Welche Couch?“
„Deine Couch, die weiße Couch in deiner Wohnung. Hast du eine Ahnung, wie die nach einem Monat mit Kindern aussähe?“ Sie schüttelte den Kopf angesichts seines verwirrten Ausdrucks.
„Ganz zu schweigen davon, was ein Haustier damit machen würde.“
Johannes fuhr sich mit der Hand durch die Haare und stöhnte.
„Siehst du, Sanna, das ist es, was ich meine!“
Sie blinzelte bei seiner unerwarteten Reaktion. „Du willst die Couch nicht aufgeben?“ Es war doch alles nur theoretisch, warum war sie dann so betroffen?
„Ich würde die Couch ohne nachzudenken rausschmeißen. Es würde mir nicht mal was ausmachen, dabei liebe ich diese Couch.“ Wieder fuhr er sich durch die Haare. „Das ist es ja gerade, was mir Angst macht.“
„Oh.“ Sie glaubte, ihn zu verstehen. „Du hast selber gesagt, dass du nicht daran gewöhnt bist, mit Kindern zusammen zu sein. Vielleicht hast du jetzt, nachdem du einige Zeit mit meinen Kindern verbracht hast, gemerkt, dass sie gar nicht so schlimm sind, wie du immer gedacht hast.“ Allerdings, immer mal wieder ein paar Stunden mit Kindern zu verbringen reichte noch nicht als Qualifikation. Erst nach einem halben Jahr schlafloser Nächte, dreimal Windpocken gleichzeitig und mehreren Anfällen von Reisekrankheit konnte man sich ein paar Punkte verdienen.
„Möglich“, meinte Johannes. „Aber ich glaube, deine Kinder sind besonders gut gelungen.“
Sie schaffte es, nicht zu lachen, sah ihn mit ernstem Blick an und hielt den Mund. Jetzt war die Zeit gekommen, das Thema zu wechseln, ehe sie zugab, dass ihre Kinder nicht besser und, so hoffte, sie, nicht schlechter waren als andere Kinder.
„Wovor hast du bei mir Angst?“
Johannes betrachtete sie eine Weile eindringlich, ehe er antwortete. „Ich habe Angst, dass ich dich noch mal verliere und dann keiner mir helfen kann, dich wiederzubekommen. Ich habe Angst, dass du mich ständig mit deinem ersten Mann vergleichst und ich keine Chance bekomme, dir zu beweisen, dass man nicht alle Männer über einen Kamm scheren kann.“ Er umfasste ihr Gesicht und strich leicht mit seinen Lippen über ihren Mund. „Ich habe Angst, dass du dich hinter deinen Kindern und deinen Ängsten versteckst und mir nicht erlaubst, dich zu lieben.“
Sie schmolz bei jedem seiner Worte dahin. Johannes sagte die Wahrheit. Sie hatte ihn mit Rainer verglichen und sich hinter ihren Kindern versteckt. Vielleicht war es an der Zeit, die Schutzwälle einzureißen und sich dem Leben wieder zu stellen.
Sie bedeutete Johannes etwas, sonst wäre er nicht hier. Die meisten Männer wären gegangen, wenn sie sie weggeschickt hätte,
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