Angst vor dem zweiten Anfang: turbulante Familiengeschichte (German Edition)
und aus Angst vor einer neuerlichen Zurückweisung niemals wiedergekommen. Die meisten Männer hätten einen Blick auf ihre drei Kinder geworfen und wären geflohen. Die meisten Männer würden sich nicht die Mühe machen, ihre Ängste und Bedürfnisse zu verstehen. Doch Johannes war anders als die meisten Männer. Sie legte ihre Hand auf seine. Sie spürte ein Zittern, wusste aber nicht, wessen Hand zitterte. Aber es spielte keine Rolle.
„Ich habe auch Angst, Johannes.“
„Erzähl mir von deinen Ängsten, Sanna, und ich will versuchen, sie zu entkräften.“ Er beugte sich vor und strich erneut mit seinen Lippen über ihre Mundwinkel, bis sie lächelte.
„Ich habe Angst, dass du mich so verletzt, wie Rainer es getan hat, indem du deine Firma immer an erster Stelle stellst. Ich habe Angst, dass du meine Kinder irgendwann als lästige Dreingabe sehen könntest, dass ich den Preis nicht wert bin.“ Nun war sie an der Reihe, ihm die Falten weg zu küssen. „Ich habe Angst, dass meine Kinder dich wirklich lieb gewinnen und dann leiden, wenn es mit uns beiden nicht klappt.“ Wieder küsste sie ihn. „Ich kann nicht mehr nur an mich denken, die Kinder stehen immer im Vordergrund.“
„Ich habe das von Anfang an gewusst, Sanna. Ich bin der Erste, der zugibt, dass ich auf deine Kinder keinen zweiten Gedanken verschwendet habe, aber ich würde sie nie als bloße Dreingabe sehen. Eher als gewinnbringende Zugabe von dir.“ Er drehte seine Hände um und verflocht seine Finger mit ihren. „Ich werde dir oder deinen Kindern nie absichtlich wehtun, Susi. Ich kann nicht vorhersehen, wohin eine Beziehung mit mir führt, denn ich war noch nie in einer solchen Situation. Aber eines weiß ich.“
„Was?“
Seine braunen Augen waren voller Aufrichtigkeit und Verwunderung. Sie wollte hineintauchen und für immer darin versinken.
„Ich liebe dich.“
Sanna war sprachlos. Nicht, weil Johannes das gesagt hatte, sondern wegen der Antwort, die ihr ihr Herz gab. Er liebte sie, und sie liebte ihn! Sie hatte gewusst, dass zwischen ihnen mächtige Gefühle am Werk waren, aber sie hatte in ihren Träumen nie die Möglichkeit von Liebe zugelassen.
Sie war reif genug zu wissen, dass Liebe und immerwährendes Glück nicht unbedingt zusammengehörten. Und doch ...
„Was, kein Kommentar?“, fragte er.
„Ich habe Tausende im Kopf, aber ich weiß nicht, welchen ich aussprechen soll.“ Sie wollte die Verletzlichkeit, die sie in seinen Augen sah, auslöschen und ihm sagen, dass sie seine Liebe erwiderte, aber sie brachte die Worte nicht über die Lippen. Es waren Worte, die ihr Angst machten. Worte, die sie dem Schmerz preisgaben. Es fiel ihr schon schwer genug, vor sich selbst zuzugeben, dass sie Johannes liebte, wie könnte sie es dann ihm gestehen? Vielleicht war es ja genau das, was ihr die ganze Zeit solche Angst eingejagt hatte, dass sie sich in Johannes verlieben könnte. Vielleicht hatte es sie nicht so sehr erschreckt, was sie mit Johannes getan hatte, sondern was sie für ihn empfand.
Sein Blick war voller Verständnis und Mitleid.
„Es ist ein furchteinflößender Gedanke, nicht wahr?“
„Was?“ Er konnte doch wohl nicht wissen, was sie dachte?
„Liebe.“ Na gut, vielleicht wusste er es doch.
„Ich denke, Sanna, wir sollten es langsam angehen. Ich will dich nicht zu etwas drängen, wozu du noch nicht bereit bist, aber ich will mich auch nicht im Dunkeln hier hereinschleichen, wenn die Kinder im Bett sind. Sie sind und werden immer ein wichtiger Teil deines Lebens sein, deshalb sollten wir sie in unsere Beziehung, welcher Art auch immer, mit einbeziehen. Natürlich liegt die endgültige Entscheidung bei dir, aber es wäre sicher weder für dich noch für die Kinder gut, wenn du weiterhin so tust, als wärst du ein Neutrum statt eine begehrenswerte Frau.“
Fast hätte Sanna gelacht. Johannes wirkte so ernst. Er wollte eine Beziehung mit ihr, und er wollte die Kinder mit einbeziehen. Entweder war dieser Mann die Erfüllung der Träume aller alleinerziehenden Mütter, oder er war ein Masochist.
„Deine Kinder sollen wissen, dass du nicht nur eine Mutter, sondern auch eine Frau bist“, fügte er hinzu, als sie schwieg.
Damit hatte er recht. Sie hatte in den vergangenen Tagen ernsthaft darüber nachgedacht, ob es richtig war, jede Verabredung zu meiden. Länger noch, wenn sie sich selbst gegenüber aufrichtig war. Sie hatte begonnen, sich diese Frage zu stellen, nachdem sie Johannes kennengelernt
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