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Angst

Angst

Titel: Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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65-Meter-Jacht bauen. An den Wänden hingen gerahmte Baupläne und künstlerische Zeichnungen, auf seinem Schreibtisch stand ein maßstabgetreues Modell. Unterhalb des Decks würde er rund um den gesamten Rumpf eine Lichtleiste einbauen lassen: Wenn er im Hafen beim Abendessen sitzen würde, würde er sie mit seinem Schlüsselanhänger ein- und ausschalten oder die Farben verändern können. Er hatte vor, die Jacht Trade Alpha zu nennen. Hoffmann, der mit einem kleinen Katamaran vollkommen zufrieden war, befürchtete zunächst, ihre Kunden könnten derart zur Schau gestellten Pomp als Beweis dafür neh men, dass sie zu viel Geld verdienten. Aber wie üblich wusste Quarry besser als er, wie ihre Kunden tickten: »Falsch, die werden das lieben. Die werden jedem erzählen: ›Hast du eine Ahnung, wie viel Kohle die machen …?‹ Die sind dann noch schärfer darauf, da mitmischen zu können. Glaub mir. Das sind kleine Jungs. Die laufen mit der Herde.«
    Jetzt saß er vor seinem Modell, betrachtete einen der drei Miniaturswimmingpools und sagte: »Kaffee? Frühstück?«
    »Nur Kaffee.« Hoffmann ging zum Fenster.
    Quarry drückte auf einen Knopf seiner Telefonanlage und sagte zu seiner Sekretärin: »Bring uns zwei Kaffee, schwarz.« Und zu Hoffmanns Rücken sagte er: »Du solltest viel Wasser trinken. Nicht dass du mir noch dehydrierst.« Aber Hoffmann hörte nicht zu. »Und eine Flasche Wasser, Schätzchen. Für mich noch eine Banane und einen Joghurt. Ist Genoud schon da?«
    »Noch nicht, Hugo.«
    »Wenn er kommt, schick ihn gleich rein.« Er ließ die Taste los. »Was Interessantes zu sehen da draußen?«
    Hoffmann stützte sich auf das Fensterbrett. Er schaute hinunter auf die Straße. An der Ecke gegenüber wartete eine Gruppe Fußgänger darauf, dass die Ampel auf Grün sprang, obwohl nirgendwo ein Auto zu sehen war. Nachdem er sie eine Zeit lang beobachtet hatte, brummte Hoffmann bissig: »Diese verkniffenen Schweizer …«
    »Wir kommen hier mit verkniffenen acht Prozent Steuern davon. Denk einfach daran, dann fühlst du dich gleich wieder besser.«
    Eine durchtrainierte, sommersprossige Frau mit wallen dem, dunkelrotem Haar kam, ohne anzuklopfen, ins Zimmer. Sie trug einen tief ausgeschnittenen Pullover. Hugos Sekretärin, eine Australierin, an deren Namen Hoffmann sich nicht erinnern konnte. Er vermutete, dass sie eine von Hugos Exfreundinnen war, die das für diese Stellung verbindlich vorgeschriebene Rentenalter von einunddreißig Jahren überschritten hatte und deshalb mit anderweitigen, leichteren Aufgaben betraut worden war. Sie trug ein Tablett. Hinter ihr drückte sich ein Mann in dunklem Anzug mit schwarzer Krawatte herum. Über seinem Arm hing ein hellbrauner Regenmantel.
    »Monsieur Genoud ist da«, sagte sie und fragte dann beflissen: »Wie geht es Ihnen, Alex?«
    Hoffmann schaute Quarry an. »Du hast es ihr erzählt?«
    »Ja, ich habe sie vom Krankenhaus aus angerufen. Sie hat den Wagen für uns bestellt. Na, wenn schon. Ist doch kein Geheimnis, oder?«
    »Wenn du nichts dagegen hast, würde ich es vorziehen, dass nicht gleich jeder im Büro Bescheid weiß.«
    »Gut, gut, wie du willst. Du hast es gehört, Amber, behalt’s für dich.«
    »Natürlich, Hugo.« Sie sah Hoffmann verwirrt an. »Tut mir leid, Alex.«
    Hoffmann hob weihevoll die Hand. Er nahm seinen Kaffee vom Tablett und trat wieder ans Fenster. Die Fußgänger waren verschwunden. Eine Trambahn hielt an, die Türen öffneten sich, Fahrgäste stiegen aus. Es sah aus, als wäre die Trambahn, aus der die Menschen wie Innereien ins Freie quollen, von vorn bis hinten aufgeschlitzt worden. Hoffmann versuchte, sich auf einzelne Gesichter zu konzentrieren, aber es waren zu viele und sie zerstreuten sich zu schnell. Er trank seinen Kaffee. Als er sich wieder umdrehte, stand Genoud im Raum, und die Tür war geschlossen. Sie hatten mit ihm gesprochen, aber er hatte es nicht bemerkt. Er wurde sich der Stille bewusst.
    »Ja?«
    »Ich habe Monsieur Quarry gerade Bericht erstattet, Doktor Hoffmann«, sagte er. »Ich habe mit einigen meiner alten Kollegen von der Genfer Polizei gesprochen. Sie haben eine Beschreibung des Mannes herausgegeben. Die Kriminaltechniker sind jetzt in Ihrem Haus.«
    »Der Inspektor, der den Fall bearbeitet, heißt Leclerc«, sagte Hoffmann.
    »Ja, ich kenne ihn. Unglücklicherweise steht er kurz vor seiner Pensionierung. Der Fall scheint ihm schon jetzt über den Kopf zu wachsen.« Genoud zögerte. »Darf ich Sie etwas

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