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Angst

Angst

Titel: Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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jeder weitere rote Punkt bejubelt. Nach einer Weile ließ der verbale Enthusiasmus jedoch nach, und die Gästeschar erfasste eine mit Händen zu greifende Verlegenheit, die so weit ging, dass Bertrand seine letzten Aufkleber in nahezu vollkommener Stille verteilte. Es war, als wohnten die Besucher einer Posse bei, die am Anfang noch lustig gewesen war, dann aber zu lange gedauert hatte und ins Grauenhafte abgeglitten war. Eine derart exzessive Freigebigkeit hatte etwas Erdrückendes. Hoffmann konnte den Anblick von Gabrielles Gesicht kaum ertragen. Ihre Glückseligkeit verwandelte sich in Verwunderung, dann Unverständnis und schließlich Argwohn.
    »Scheint ganz so, als hättest du einen Bewunderer«, sagte er verzweifelt.
    Sie schien ihn gar nicht zu hören. »Und das war ein einziger Käufer?«
    »Ein einziger«, sagte Bertrand. Strahlend rieb er sich die Hände.
    In gedämpftem Flüsterton begannen die Menschen wieder ihre Gespräche aufzunehmen. Alle sprachen leise, nur ein Amerikaner sagte laut: »Unfassbar, das ist doch absolut lächerlich.«
    »Und wer ist es?«, fragte Gabrielle ungläubig.
    »Das kann ich dir leider nicht sagen.« Er warf Hoffmann einen schnellen Blick zu. »Ein anonymer Sammler, mehr kann ich dir nicht sagen.«
    Gabrielle hatte seinen Blick zu Hoffmann bemerkt. Sie schluckte, bevor sie weitersprach. Ihre Stimme war sehr leise. »Bist du dieser Sammler?«
    »Natürlich nicht.«
    »Nämlich wenn …«
    »Ich bin’s nicht.«
    Ein Klingeln signalisierte, dass jemand die Tür geöffnet hatte. Hoffmann drehte sich um. Die Leute verließen die Galerie. Walton gehörte zur ersten Welle. Er knöpfte sich gegen den kühlen Wind, der von draußen hereinwehte, die Jacke zu. Bertrand bemerkte, was vor sich ging, und machte den Kellnerinnen diskret Zeichen, keine Drinks mehr zu servieren. Der Sinn der Party war verpufft, und keiner wollte als Letzter gehen. Zwei Frauen bedankten sich bei Gabrielle, die so tun musste, als nähme sie die Glückwünsche ernst. »Ich hätte selbst was gekauft«, sagte die eine, »aber ich hatte ja keine Chance.«
    »Ganz außergewöhnlich, meine Liebe.«
    »Ich habe nie zuvor etwas Vergleichbares gesehen.«
    »Du musst das unbedingt wiederholen, versprochen?«
    »Versprochen.«
    Nachdem sie gegangen waren, sagte Hoffmann zu Bertrand: »Na los, sagen Sie ihr wenigstens, dass nicht ich der Käufer bin.«
    »Ich kann ihr nicht sagen, wer der Käufer ist und wer nicht, weil ich es selbst nicht weiß. Ehrlich. So einfach ist das.«
    Bertrand breitete die Arme aus. Es war offensichtlich, dass er das alles genoss: das Rätsel, das Geld, die Notwendigkeit, professionelle Diskretion zu wahren. In seiner teuren schwarzen Seidenhülle plusterte er sich förmlich auf.
    »Meine Bank hat mir gerade eine E-Mail geschickt, dass im Zusammenhang mit der Ausstellung eine Banküberweisung eingegangen ist. Ich gestehe, dass mich die Höhe der Summe überrascht hat. Ich habe mit meinem Taschenrechner kurz die Preise aller Stücke zusammengerechnet und bin auf 192 000 Franken gekommen. Das ist exakt die überwiesene Summe.«
    »Eine Banküberweisung?«, sagte Hoffmann.
    »Richtig.«
    »Ich will, dass du das Geld zurücküberweist«, sagte Gabrielle. »Ich will nicht, dass man so mit meiner Arbeit umgeht.«
    Ein großer Nigerianer in Nationaltracht – einer grob gewebten, schwarz-beige Toga mit dazu passender Kappe – winkte mit der rosafarbenen Handfläche seiner riesigen Pranke in ihre Richtung. Er war ebenfalls eine Protegé von Bertrand und hieß Nneka Osoba. Er hatte sich auf Stammesmasken spezialisiert, die er aus westlichen Industrieabfällen fertigte und die seinen Protest gegen den Imperialismus symbolisieren sollten. »Auf Wiedersehen, Gabrielle!«, rief er. »Gut gemacht!«
    »Auf Wiedersehen«, rief sie und rang sich ein Lächeln ab. »Danke, dass du vorbeigeschaut hast.« Die Türglocke ertönte ein weiteres Mal.
    Bertrand lächelte. »Meine liebe Gabrielle, anscheinend verstehst du das nicht richtig. Die Rechtslage ist klar. Wenn bei einer Auktion der Hammer fällt, dann ist der Posten verkauft. Das Gleiche gilt für uns Galeristen. Wenn ein Kunstobjekt verkauft ist, dann ist das endgültig. Wenn du nicht verkaufen willst, dann darfst du nicht ausstellen.«
    »Ich bezahle Ihnen das Doppelte«, sagte Hoffmann verzweifelt. »Ihre Provision ist fünfzig Prozent, Sie haben also gerade knapp 100 000 Franken verdient, richtig? Ich zahle Ihnen 200 000, wenn Sie Gabrielle Ihre Arbeiten

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