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Angst

Angst

Titel: Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Stück weit nach innen und lugte hinein. Es roch abgestanden. Irgendwo brannte ein Räucherstäbchen, das den Geruch jedoch verstärkte, anstatt ihn zu überdecken. Vor ihm lag eine leere kleine Lobby mit Empfangstisch und Sitzecke, die aus einem schwarzen und einem roten Sofa und dazu passenden Sesseln bestand. Im Halbdunkel leuchtete grell ein kleines Aquarium, in dem er aber keine Fische sah. Hoffmann ging ein paar Schritte hinein. Wenn man ihn überraschte, konnte er immer noch sagen, dass er nach einem Zimmer suche. Geld genug hatte er in der Tasche. Wahrscheinlich berechnete man hier stundenweise. Hinter ihm fiel die schwere Tür ins Schloss und sperrte die Straßengeräusche aus. Er hörte, wie über ihm jemand herumging. Er hörte Musik; der wummernde Bass ließ die dünnen Wände erzittern. Er ging über den welligen Linoleumboden der Lobby zu einem schmalen Durchgang, der zu einem kleinen Aufzug führte. Er drückte auf den Knopf, und sogleich öffnete sich die Tür – so als hätte der Lift auf ihn gewartet.
    Der winzige Aufzug war mit zerkratztem, grauem Metall ausgekleidet, das wie das eines alten Aktenschranks aussah. Der Platz reichte für nicht mehr als zwei Personen, und als die Tür sich schlossen, bekam Hoffmann augenblicklich Platzangst. Die Knöpfe ließen ihm die Wahl zwischen sieben Stockwerken. Er drückte auf Nummer sechs. Irgendwo fing ein Motor an zu surren. Der Lift setzte sich rumpelnd in Bewegung und fuhr sehr langsam aufwärts. Seine Angst wich einem Gefühl der Unwirklichkeit, so als ob er in einen immer wiederkehrenden Traum aus seiner Kindheit eintauchte, an dessen Einzelheiten er sich nicht erinnern konnte; er wusste nur noch, dass er, um zu erwachen, so lange weitergehen musste, bis er den Ausgang fand.
    Die Fahrt kam ihm ewig vor. Er fragte sich, was ihn erwartete. Als der Lift schließlich anhielt, hob er schützend die Hände. Ruckelnd öffnete sich die Tür zum sechsten Stock.
    Der Flur war leer. Zuerst war er unschlüssig, ob er die Kabine überhaupt verlassen sollte, doch als die Türblätter sich wieder schließen wollten, steckte er ein Bein dazwi schen. Sie fuhren wieder zurück, und vorsichtig setzte er einen Fuß in den Gang. Hinter ihm schloss sich die Aufzugtür zitternd. Es war dunkler als in der Lobby. Seine Augen mussten sich erst daran gewöhnen. Die Wände waren kahl. Es roch genauso abgestanden wie in der Lobby, ein Gestank, der schon tausendmal geatmet und nie durch ein offenes Fenster oder eine offene Tür abgeschwächt worden war. Es war heiß. Gegenüber dem Lift sah Hoffmann zwei Türen, links und rechts weitere Türen. Ein primitives Schild – mit bunten Plastikbuchstaben, wie man sie in Spielzeugläden kaufen konnte – zeigte an, dass es zu Zimmer 68 nach rechts ging. Als hinter ihm der Liftmotor wieder ansprang, zuckte er zusammen. Er lauschte dem Geräusch, bis der Aufzug unten angekommen war. Dann herrschte Stille.
    Er machte ein paar Schritte nach rechts und lugte um die nächste Ecke. Zimmer 68 lag ganz am Ende des Gangs, d er sich nun vor seinen Augen auftat. Die Tür war geschlossen. Ziemlich nah hörte er ein rhythmisches, metal lisches Knarzen, das er erst für Sägegeräusche hielt. Dann begriff er, dass es quietschende Bettfedern waren. Er hörte einen dumpfen Schlag, dann wie ein Mann scheinbar unter Schmerzen aufstöhnte.
    Hoffmann zog sein Handy aus der Tasche und wollte die Polizei rufen. Obwohl er sich mitten in Genf befand, bekam er seltsamerweise keinen Zugang zum Netz. Er steckte das Handy wieder ein und ging vorsichtig bis zum Ende des Flurs. Er drehte sich zur Tür. Auf der Höhe seiner Augen war in die Tür ein vorstehender Spion aus milchig weißem Glas eingelassen. Er lauschte. Er hörte nichts. Er klopfte an die Tür, legte das Ohr an das Holz und lauschte wieder. Nichts. Sogar die Bettfedern im Nachbarzimmer hatten aufgehört zu quietschen.
    Er drehte an dem schwarzen Kunststoffgriff. Die Tür bewegte sich nicht. Sie hatte nur ein einziges Sicherheitsschloss, und er konnte erkennen, dass das Holz des Türpfostens morsch war. Als er mit dem Fingernagel an dem porösen Holz kratzte, löste sich ein krümeliger, orangefarbener Splitter von der Größe eines Streichholzes. Er trat einen Schritt zurück, drehte die Schulter nach vorn und rammte sie mit voller Wucht gegen die Tür, die sogleich leicht nachgab. Er trat ein Stückchen weiter zurück und versuchte es ein zweites Mal. Das Holz splitterte, und die Tür stand ein paar

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