Angstfrei arbeiten
Ausschläge nach oben noch solche nach unten. Nur selten wurden Kündigungen ausgesprochen, da musste schon jemand das Tafelsilber gestohlen haben. Firmen hatten oft eine lange Tradition, standen sicher und solvent da, zum Beispiel die Banken. Das war noch vor dem Bankenskandal. Vieles war sicherer als heute, vieles war bewährt und bekannt.
Und das mögen wir einfach – so, wie damals schon Herr und Frau Neandertal: Wir schätzen das Bekannte und wir sind erst einmal auf der Hut vor Unbekanntem. Schließlich könnte das Unbekannte der fremde Säbelzahntiger sein, der uns schwuppdiwupp auffrisst. Das, was wir kennen, gibt uns Sicherheit – das, was wir nicht kennen, macht uns erst einmal unsicher.
Natürlich gibt es viele Menschen, die das Unbekannte lieben, die Gefahr als Herausforderung sehen und die nichts furchtbarer finden als das Altbekannte, als die eingefahrenen Bahnen. Meine Freundin fände es völlig abstrus, zweimal an denselben Urlaubsort zu fahren. Sie braucht ständig neue Impulse, will viel kennenlernen. Mir hingegen kann es passieren, dass ich schon zum dritten Mal nicht aus dem einen kleinen Dorf auf der griechischen Insel herauskomme, weil das Café am Marktplatz gar so bezaubernd istund ich dort gerne stundenlang immer wieder die gleichen Menschen beobachte.
Es gibt also Menschen, die brauchen Veränderung, die hassen Stillstand und Stagnation. Das ist dann ihre bewusste Entscheidung, ihr Lebensentwurf. Und das ist dann auch in Ordnung so.
Aber ganz tief in uns drinnen, quasi in unseren Genen, ist auch noch das Alte verankert – bei Unbekanntem sei auf der Hut, nimm dich in Acht, sei vorsichtig!
Veränderungversetzt uns also mehr oder weniger latent in Unruhe. Wir müssen uns umstellen, zurechtkommen mit dem Unbekannten, uns und unsere Welt neu (ein)ordnen.
Wenn wir uns bewusst für eine Veränderung entschieden haben, weil wir zum Beispiel den Job wechseln oder in eine andere Stadt ziehen wollen – dann setzt diese Veränderung positive Energiein uns frei: Wir sprudeln über vor neuen Ideen, wir planen, organisieren, sind lebendig und voller Vorfreude. So kann Veränderung großen Spaß machen.
Was aber ist, wenn die Veränderung unfreiwillig kommt? Wenn uns keiner gefragt hat, ob wir diese Veränderung wollen? Wenn wir vor vollendete Tatsachen gestellt werden? Wenn unsere Firma plötzlich pleitegeht und wir Mitarbeiter auf der Straße stehen? Wenn unser Unternehmen mit einem anderen fusioniert und wir plötzlich eine völlig andere Firmenkultur haben? Manchmal reicht es ja schon, dass wir im Büro ein neues Computersystem bekommen oder die Abteilungen neu aufgeteilt werden.
Da findet sich weit und breit keinerlei positive Energie oder neugierige Vorfreude. Wir werden nervös und unruhig. Wir schlafen schlechter und machen uns viele dunkle Gedanken.Und irgendwie kriecht uns langsam und unaufhaltsam die Angst den Nacken hoch. Was dann?
Als Erstes möchte ich Ihnen sehr eindringlich ans Herz legen: Ihre Unruhe, Ihre dunklen Gedanken, Ihre Angst – das ist völlig normal! Denken Sie an Herrn und Frau Neandertal und den fremden Säbelzahntiger. Wenn Sie unfreiwillig mit Veränderungen konfrontiert werden, dürfen Sie erst einmal Angst haben. Ihr System wird erst einmal ordentlich durcheinandergewirbelt, Ihre innere Ordnung gerät aus den Fugen – Sie kommen sich vielleicht so vor, als ob Sie wieder lesen, schreiben und Fahrrad fahren lernen müssen. Das macht keinen Spaß, ist anstrengend und macht Angst. Das ist einfach so.
Erlauben Sie sich dieses Gefühl erst einmal. Und lassen Sie sich das von den ach so Innovativen nicht ausreden, die mit Parolen wie „Neue Besen kehren besser“ oder „Stillstand ist Rückschritt“ um sich werfen. Die finden das Neue spannend und toll – Sie nicht. Beides hat seine Berechtigung und will wertgeschätzt werden.
Nehmen Sie sich ernst mit Ihren Ängsten. Das heißt nicht, dass Sie ertrinken sollen in Angst und Selbstmitleid, dass Sie sich ohnmächtig in den Strudel hinabziehen lassen sollen. Aber bevor Sie etwas tun können, müssen Sie sich erst einmal ernst nehmen mit Ihrer Angst. Die ist jetzt da und hat auch im Moment ihre Daseinsberechtigung.
Und allmählich können Sie dann anfangen, Strategien zu entwickeln, wie Sie mit der Veränderung besser zurechtkommen können. Hier gilt wieder einmal die Faustregel: Wenn Sie an den Umständen, also hier an der Veränderung, nichts mehr drehen können, dann ändern Sie Ihreinnere Haltungdazu.
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