Angsthauch
hier, am Fuß eines unglaublich runden grünen Hügels, der aus der Wiese hinter ihrem großen, knospenden Garten aufragte.
Sie fand die Bank mit der Aussicht, die sie als »ihre« Bank betrachtete, obwohl sie offiziell im Andenken an ein siebzehnjähriges Mädchen namens Martha gestiftet worden war, das 1985 an Krebs gestorben war. Rose ließ sich darauf nieder und betrachtete das Dorf und die weitläufigen Hügel, die jenseits des Tals begannen. Von dort, wo der Fluss sich zwischen den Häusern hindurchschlängelte, bevor er in Richtung der fünfzehn Meilen entfernt liegenden und von Roses Sitzplatz aus unsichtbaren Stadt Bath weiterfloss, stieg noch immer ein dünner Nebel auf.
Manchmal tat ihr der Junge mit dem eingefallenen Gesicht leid. Anders als sie würde er die Stadt vermutlich nie verlassen. Und was noch schlimmer war: Er würde sich nie von der Überzeugung freimachen können, dass es sein gutes Recht war, andere Menschen mit vorgehaltener Waffe zu berauben. Aber die meiste Zeit hielt sie ihn für ein mieses Dreckschwein und hoffte, dass er inzwischen hinter Gittern saß. Wie hatte er es wagen können, eine Schwangere mit einem Messer zu bedrohen? Das Geld, das er ihr gestohlen hatte, hatte sie sich im Schweiße ihres Angesichts verdient, und zwar indem sie tagtäglich versuchte, kleine Scheißer wie ihn zu retten. Noch immer zitterte sie vor Wut, wenn sie nur daran dachte.
Dann atmete sie tief durch und spürte, wie sich ihre Schultern entspannten. Sie konnte auf ihrer Bank sitzen, ganz allein mit ihrer Handtasche, und brauchte sich nicht zu fürchten. Sie hatte ihre Familie in Sicherheit gebracht.
Und hier würden sie auch bleiben. Sie hatten den Schmutz der Stadt noch nicht ganz abgeschüttelt, aber dies war ein Ort, an dem sie Wurzeln schlagen konnten. Rose spürte mit absoluter Gewissheit, dass sie und Gareth hier alt werden würden. Sie würden das Haus auch nach dem Auszug von Anna und Flossie behalten, damit diese einen Ort hatten, an den sie heimkehren konnten. Rose selbst hatte so etwas nie gehabt, deswegen war es ihr für ihre Töchter umso wichtiger. Später dann würden sie Enkelkinder haben, die sich jedes Jahr auf die Ferien in Roses und Gareths großem Haus auf dem Land freuten. Rose hatte ein Bild von sich im Kopf, wie sie mit grauen Haaren am Kopfende der Tafel saß und Bœuf en Daube servierte wie eine moderne Mrs Ramsay.
Wenn sich der Staub von den Renovierungsarbeiten erst einmal gelegt hätte, könnten sie vielleicht einen Pool im Garten anlegen – obwohl sie diese Idee Gareth gegenüber vorerst nicht erwähnen würde. Andy könnte wieder aus Frankreich kommen, um zu helfen, und irgendwann vielleicht sogar für immer ins Nebengebäude ziehen.
Irgendwann. Falls Polly jemals auszog, verstand sich.
Rose stand auf, klopfte sich den Staub von den Kleidern und machte sich wieder auf den Weg. Sie wollte noch kurz beim Nebengebäude vorbeischauen, um zu sehen, ob Polly schon wach war.
Am Fuß der Treppe, die zu der kleinen Wohnung hinaufführte, blieb sie stehen. Es war nichts zu hören. Sie öffnete die Tür zum spinnwebenverhangenen Lagerraum im Erdgeschoss, der genau unter dem Wohn-Schlaf-Zimmer lag, ging auf Zehenspitzen hinein und lauschte, ein Ohr auf die Balken über ihrem Kopf gerichtet. Nichts. Kein Geräusch. Polly schlief also noch.
Rose ging die steinernen Stufen hinunter zum Haupthaus und öffnete die Tür. Das war eine weitere Segnung des Landlebens: Man musste nie abschließen. In Hackney hatte Rose das Gefühl gehabt, in einem Zustand permanenter Belagerung zu leben: Gitter vor den Kellerfenstern, doppeltes Türschloss, mehrere Riegel an Vorder- und Hintertür, Alarmanlage mit Bewegungsmelder. Sie mussten immer darauf achten, nichts Wertvolles herumliegen zu lassen, das man von der Straße aus hätte sehen können. Selbst die Stereoanlage hatten sie im Schrank versteckt, damit Vorübergehende sie nicht sahen.
Und doch war trotz aller Vorsichtsmaßnahmen zweimal bei ihnen eingebrochen worden – das erste Mal erschreckenderweise, während Rose und Anna im Obergeschoss ihren Mittagsschlaf gehalten hatten. Die Einbrecher waren auf eine Mülltonne geklettert und durch ein Fenster im Erdgeschoss eingestiegen, das Rose einen Spaltbreit offen gelassen hatte, so wie man es an heißen Tagen eben tat, wenn man zu Hause war. Beim zweiten Mal hatten die Einbrecher die Scheibe der Hintertür mit einem Ziegelstein eingeschlagen und die Tür von innen geöffnet.
Beides waren
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