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Angsthauch

Angsthauch

Titel: Angsthauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Crouch
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Nacht dachte. Es war unglaublich, wie viel besser man sich inmitten des alltäglichen Kleinkrams nach ein bisschen gutem Sex fühlte. Als sie vom Kühlschrank aufblickte, in dem sie gerade den Speck verstaut hatte, sah sie Polly, die die Stufen zum Haus heruntergeschlendert kam. Sie trug einen schwarzen Satinmorgenmantel, den Rose noch nie gesehen hatte.
    Rose nahm den Weidenkorb und stellte ihn zurück an seinen Platz in die kühle Kammer, die nach den Äpfeln roch, die sie im Herbst in Zeitungspapier gewickelt und eingelagert hatte.
    Dann ging sie wieder in die Küche. Polly saß am Tisch und beobachtete sie.
    »Du siehst glücklich aus, Rose«, meinte sie.
    Rose lächelte.
    »Hattet ihr gestern einen schönen Abend, Gareth und du?«
    »Wir fanden es großartig. Wie war es noch, nachdem wir weg waren?«
    »Ganz okay.«
    »Was ist denn?«
    »Weiß auch nicht.« Polly streckte sich. »Ich bin einfach ein bisschen enttäuscht.«
    »Bist du spät wiedergekommen?«
    »Glaub schon.«
    »Und? War irgendjemand interessiert?«
    »Ach, keine Ahnung. Sie sagen immer, dass es ihnen supergut gefallen hat und dass sie sich melden werden, aber das ist alles nur Blabla.« Sie zwirbelte sich eine Haarlocke um den Finger und prüfte sie auf Spliss. »Wo ist Gareth?«
    »Im Atelier.«
    »Toll, dass er wieder arbeitet.«
    »Wie meinst du das?«
    »Na ja, als du weg warst, ist er ja kaum dazu gekommen.«
    Rose sah Polly an, die immer noch mit ihren Haaren spielte. Etwas trübte die Zufriedenheit, die sie den ganzen Morgen über empfunden hatte. Was sollte das bedeuten?
    »Das lag vermutlich daran, dass er sich Sorgen gemacht hat«, sagte sie brüsk. »Um Flossie.«
    »Er war die ganze Zeit hier, in der Küche.« Polly zuckte mit den Schultern. »Gibt’s frischen Kaffee?«
    »Ich setze gleich eine neue Kanne auf.« Rose fiel ein, dass sie Gareth noch das Kaffeepulver bringen musste. Bestimmt hatte er schon Entzugserscheinungen. Typisch Amerikaner, ohne Koffein lief er einfach nicht rund. Sie zog sich ihre abgeschnittenen Gummiüberschuhe an und stapfte durch den Garten zu Gareths Atelier. Unterwegs rief sie nach Manky. Er war in der Nacht nicht nach Hause gekommen. Das allein war noch nicht weiter ungewöhnlich, aber er hatte auch sein Frühstück nicht angerührt. Rose konnte nur hoffen, dass ihn nicht einer der Nachbarn gefüttert hatte. Sie wusste, dass es nicht gut war, fremde Tiere zu füttern, aber dass viele Leute es aus falsch verstandener Tierliebe trotzdem taten.
    Sie klopfte leise an die Tür zum Atelier. Wie so oft waren die Vorhänge zum Schutz vor der Morgensonne zugezogen.
    »Ja?«, rief Gareth von drinnen.
    Sie öffnete die Tür und holte erstaunt Luft. Seit sie das Atelier weniger als eine Woche zuvor das letzte Mal von innen gesehen hatte, war jede freie Oberfläche und jeder Quadratzentimeter Wand mit Zeichnungen zugepflastert worden: der Fluss, Bäume. Figuren, die sich auf eine selbstvergessene, schwebende Art und Weise bewegten – tanzten? Irgendetwas an ihrer Körperhaltung kam Rose bekannt vor.
    »Du warst fleißig«, stellte sie fest, während sie das Ergebnis seiner Arbeitswut betrachtete.
    »Hm«, sagte er und legte das Blatt, an dem er gerade gezeichnet hatte, mit dem Bild nach unten auf den Fußboden. Dann drehte er sich zu ihr um. »Was ist denn?«
    Sie wusste, dass er es nicht mochte, wenn jemand seine unfertigen Arbeiten sah, und sei es seine eigene Frau.
    »Ich habe dir den Kaffee mitgebracht«, antwortete sie.
    »Ach so, na klar. Toll, danke.« Er sah sie an, als warte er darauf, dass sie ging.
    »Okay, dann sehen wir uns zum Mittagessen.«
    »Ich arbeite heute durch, sorry. Aber fürs Abendessen kannst du mich mit einplanen.«
    »Okay. Dann bis heute Abend.« Rose ging rückwärts aus der Tür und schloss sie hinter sich.
    Auf dem Rückweg zum Haus schien sich die Rasenfläche im grellen Sonnenlicht zur Seite zu neigen, und Rose hatte das Gefühl, kleiner und kleiner zu werden wie Alice im Wunderland. Statt näher zu kommen, rückte das Haus in immer weitere Ferne. Plötzlich blieb sie stehen. Idiotin! Sie hatte Flossie in der Küche gelassen, in ihrer Babyschale, ganz allein mit Polly!
    Eine unsichtbare Hand stieß sie vorwärts, sie rannte über den Rasen und stürzte in die Küche, so dass Polly – die immer noch am Tisch saß und sich in einem kleinen Schildpatthandspiegel betrachtete – vor Schreck zusammenfuhr. Flossie lag am anderen Ende des Raums in ihrer Schale und schlief. Rose lief zu

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