Angstpartie - Thriller
Organisation bin ich viel auf Reisen, oft in Indien und gelegentlich auch in Afrika. Seltsam, dass immer alle glauben, ich würde mich auf den Bahamas in einem Liegestuhl aalen, nur weil ich ein bisschen Farbe habe. Schön wär’s.«
»Ich habe vorhin im Wohnzimmer ein Foto von Ihnen gesehen.«
»Äh …« Nun wirkte er etwas verlegen. »Das habe ich mitgebracht, um es Ihrer Mutter zu zeigen. Sie wollte unbedingt ein Bild von mir in Uniform sehen.«
»Waren Sie lange bei den Ghurkhas?«
»Dreißig Jahre«, sagte er mit einem Anflug von Stolz. »Großartige Soldaten«, fügte er leise hinzu.
»Dann sind Sie bestimmt ganz schön herumgekommen.« Liz kostete ihren Wein. Er war wunderbar trocken und kalt. Also doch, dachte sie: Kriegserinnerungen und Veteranengeschichten. Sie wünschte, ihre Mutter würde sich beeilen.
»Ein wenig«, erwiderte er. »Ich war auf den Falklands und im ersten Golfkrieg. Später dann sechs Monate im Kosovo, an die ich mich aber nur ungern erinnere.«
Mehr sagte er dazu nicht. Liz stellte dankbar fest, wie bereitwillig er das Thema wechselte. Er fragte sie, wo sie in London wohnte, und bald ertappte sich Liz dabei, dass sie ihm alles über ihre Wohnung in Kentish Town erzählte: wann sie sie gekauft hatte, wie sie sie renoviert hatte und was noch alles getan werden musste. Er war ein aufmerksamer Zuhörer, unterbrach sie nur gelegentlich mit einer Frage und brachte Liz schließlich mit einer Geschichte über sein leckendes Zelt während eines Manövers im Regenwald von Belize zum Lachen.
Das Eis war gebrochen. Zwar hatte sich Liz geschworen, kein vorschnelles Urteil zu fällen, doch sie konnte mit ihm wunderbar ungezwungen über alles Mögliche plaudern.
Auch über Musik. Als sie von einem Barenboim-Konzert berichtete, das sie kürzlich im Barbican besucht hatte, sah sie Edwards Augen strahlen. Während sie noch über die Akustik fachsimpelten, kam Liz′ Mutter mit einem Arm voll frisch geschnittener Blumen zur Hintertür herein. Ihr Gesichtsausdruck verriet ihre Erleichterung darüber, dass sich die beiden so gut unterhielten.
Sie genossen das Abendessen in der Küche, dann saßen sie gemeinsam im Wohnzimmer, lasen und hörten Mozart. Um zehn unterdrückte Liz ein Gähnen. »Ich bin reif fürs Bett«, erklärte sie. »Ist für die Party morgen noch viel zu tun?«
Susan schüttelte den Kopf. »Dank Edward ist alles unter Kontrolle.«
Oben fiel Liz fast sofort in einen unruhigen Schlaf, wachte aber auf, als ihre Mutter und Edward die Treppe heraufkamen. Türen schlossen sich, eine wurde geöffnet. Aber Liz gab auf, herausfinden zu wollen, was vor sich ging. Bald schlief sie wieder ein, und diesmal tief und fest.
Am nächsten Morgen fuhr Liz nach Stockbridge, weil ihre Hilfe tatsächlich nicht gebraucht wurde. Als sie zurückkam, war ihre Mutter im Garten-Center, und Edward werkelte im Haus: Er hatte im Esszimmer ein frisches Tischtuch aufgelegt, das Wohnzimmer gesaugt und abgestaubt. Gütiger Himmel, dachte Liz, er war kein verknöcherter Colonel, er war ein moderner Mann.
Die Party verlief sehr harmonisch. Fast alle Gäste waren alte Freunde ihrer Mutter, von denen die meisten Edward schon zu kennen schienen. Es gab ein paar neue Gesichter und sogar jemanden in Liz′ Alter: Simon Lawrence, den Besitzer eines Bio-Hofes in der Nachbarschaft. Sie waren zusammen zur Schule gegangen, aber Liz hatte ihn seit fast zwanzig Jahren nicht mehr gesehen. Er war zwar
unglaublich groß geworden, hatte aber noch immer das freundliche Jungengesicht mit den Apfelbäckchen, an das sie sich erinnerte.
»Hallo Liz«, begann er schüchtern, »kennst du mich noch?«
»Wie könnte ich dich je vergessen, Simon?« Liz lachte. »Du hast mich in dem Sommer, als ich vierzehn wurde, in den Skinner’s Teich geschubst.«
Sie unterhielten sich für eine Weile und Simon bat sie beim Abschied um ihre Nummer in London. »Eigentlich hasse ich Großstädte«, gestand er unbekümmert. »Aber es wäre schön, dich wiederzusehen.«
Am Sonntag schlief Liz ausnahmsweise richtig lange. Offenbar war die Arbeit in letzter Zeit doch sehr anstrengend gewesen. Als sie in die Küche kam, begann Edward gerade, das Mittagessen zu kochen. Er lehnte ihr Hilfsangebot freundlich ab und schob ihr stattdessen eine Tasse Kaffee und ein warmes Croissant hin. Susan sei kurz ins Garten-Center gegangen, sagte er. Sonntags herrschte dort meist Hochbetrieb.
Liz nahm sich die Zeitung und entdeckte einen Artikel über die
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