Angstschrei: Thriller
betrachten, dachte McCabe. Sie wussten jetzt sicher, dass Abby auf dem Festland war. Sie wussten, dass sie noch lebte, oder zumindest, dass sie gestern um Mitternacht noch gelebt hatte. Sie wussten, welche Kleidung sie trug. Die Kehrseite der Medaille war natürlich, dass sie sich jetzt in einem sehr viel größeren Gebiet aufhielt, in dem sie verloren gehen konnte. Oder umgebracht werden. Oder erfrieren. Abby zu finden war jetzt die vordringlichste Aufgabe. Für die Polizei genauso wie für den Killer. McCabe besaß den Vorteil, über größere Ressourcen zu verfügen. Ein Vorteil, der allerdings nichts wert war, wenn der Killer sie gut kannte. Wenn er wusste, mit wem sie befreundet war. An wen sie sich vermutlich wenden würde. Es würde ein sehr schwieriger Balanceakt werden. Da streckte Eddie Fraser den Kopf zur Tür herein. » Wir haben da was auf einem Video vom Monument Square entdeckt, das solltet ihr euch mal anschauen.«
Cleary schaltete den Fernseher aus und sagte, er werde erst noch Abbys Beschreibung an die Streifenwagenbesatzungen weitergeben. McCabe und Maggie folgten Eddie in Starbucks’ Büroabteil. Es war kaum größer als ein begehbarer Kleiderschrank, aber irgendwie quetschten sie sich alle hinein. An den Wänden reihte sich ein hochmodernes elektronisches Gerät ans andere. Der junge Somali empfing sie mit einem breiten Grinsen. » Sergeant McCabe«, rief er. » Ich glaube, wir haben hier was Gutes entdeckt.« Starbucks war erst seit sieben Jahren in Amerika, aber sein Englisch war so gut wie akzentfrei. Nur gelegentlich verriet er sich durch eine verschnörkelte Satzkonstruktion oder eine besonders förmliche Wortwahl. » Ich habe Detective Fraser geholfen, die Überwachungsvideos aus dem Foyer vom Monument Square Nummer zehn durchzusehen. Die vom Donnerstag, dem Zweiundzwanzigsten, und Freitag, dem Dreiundzwanzigsten.«
» An beiden Abenden haben die Reinigungstrupps das Gebäude betreten und nach Abschluss ihrer Arbeit wieder verlassen«, sagte Fraser.
» Das hier ist das Foyer kurz vor Ankunft der Putzleute am Donnerstag«, sagte Starbucks. Zwei Monitore standen nebeneinander auf einem Regal knapp oberhalb von Starbucks’ Kopf. Er dirigierte ihre Blicke zu dem linken. » Wie Sie sehen, besitzt die Kamera ein Weitwinkelobjektiv und ist in einer Höhe von drei Metern zwanzig über dem Boden befestigt.« Am unteren Bildrand waren das Datum und die Uhrzeit zu erkennen: 22/12/05 – 18:05:40. Die Drehtür am Ein- und Ausgang sowie die beiden normalen Türen links und rechts davon waren klar und deutlich zu erkennen. Genau wie die Stahltür, die laut Randall Jackson hinunter in die Privatgarage der Anwälte führte. Starbucks drückte auf PLAY , und McCabe sah einen ganzen Schwarm Menschen zur linken Tür hereinkommen. Aufgrund des Winkels bekam er hauptsächlich Köpfe von oben und kaum Gesichter zu sehen. Sie drangen nur wenige Meter weit in die Lobby vor, dann wandten sie sich geschlossen ab, wie ein Fischschwarm, und verließen das Foyer durch die Garagentür wieder. » Wo gehen die hin?«, wollte McCabe wissen.
» Da unten befindet sich ein Lagerraum, wo die Putzsachen lagern. Außerdem gibt es da eine Toilette und eine kleine Umkleidekabine, wo sie während der Arbeit ihre Jacken und Taschen lassen können.«
» Das ist aber auch der Eingang zur Anwaltsgarage, stimmt’s?«
» Ja, genau. Ich war unten und hab mich mal ein bisschen umgesehen«, meinte Fraser. » Man geht eine Treppe runter und kommt in einen kurzen Korridor. Links sind dann der Lagerraum und die Umkleide. Geradeaus geht es zur Toilette und nach rechts in die Garage. Am Ende des Korridors gibt es noch einen Lastenaufzug, mit dem die Putzkolonnen und die Hausmeister jedes beliebige Stockwerk erreichen können. Ein Notausgang ist auch da. Er führt direkt auf die Straße und kann von außen nicht geöffnet werden. Wird die Tür von innen aufgemacht, löst das einen Alarm aus.«
» Dann könnte unser Killer also theoretisch durch die Stahltür im Foyer in den Keller und von dort an jede beliebige Stelle im Gebäude gelangt sein?«
» Genau«, erwiderte Fraser. » Die Frage ist aber, wie er wieder rausgekommen ist. Ich habe den Notausgang kontrolliert. Die Alarmanlage war eingeschaltet, und sie funktioniert auch. Die einzig möglichen Ausgänge sind demnach oben durch das Foyer oder durch die Garage. Aber um das Garagentor zu öffnen, braucht man eine Schlüsselkarte.« Ogden hatte natürlich eine solche Karte. Und Lainie
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