Angstschrei: Thriller
vor allem, wenn man das Wetter bedenkt.«
» Gibt es schon eine Reaktion von den anderen bedeutenden Künstlern von Maine?«
» Ehrlich gesagt, Marta Einhorn hat ausgesprochen liebenswürdig reagiert. Die anderen haben nicht viel gesagt. Oh, und Joe Kleinerman vom Press Herald …«
» Der Kunstkritiker?«
» Ja, genau. Er will einen Artikel über meine Arbeit schreiben.«
McCabe sah einen Streifenwagen auf der Congress Street nach Osten fahren. Er stellte sich mitten auf die Straße und winkte ihn zu sich. » Das ist toll. Hör zu, ich muss jetzt los. Ich liebe dich. Das sollst du auch noch wissen.«
» Ja. Ich dich auch.«
McCabe legte auf. Am Steuer des Wagens saß ein junger, asiatisch aussehender Streifenbeamter. McCabe beugte sich in den Wagen und zeigte ihm seine Dienstmarke, nur für den Fall, dass der Mann ihn nicht erkannte. Das war aber nicht nötig. Durch den Fall Lucas Kane im letzten Jahr war McCabe eine kleine Berühmtheit geworden, nicht nur in Polizeikreisen, sondern so ziemlich überall in der Stadt. Sogar in New York war der ein oder andere Artikel über ihn erschienen. » Hallo, Sergeant. Was kann ich für Sie tun?«
Auf dem Namensschild des Polizisten stand T. Ly. Vermutlich der kürzeste Nachname in der Geschichte des Departments. Wahrscheinlich Kambodschaner, dachte McCabe. In Portland lebten einige Kambodschaner, überwiegend Flüchtlinge, die in den Neunzigerjahren hierhergekommen waren.
» Ly wie Lee?«, sagte McCabe in fragendem Ton. » Ist das die richtige Aussprache?«
Der Mann nickte. » So ungefähr.«
» Können Sie mich zum Fish Pier bringen? Schnell?«
3
McCabe quetschte sich auf den Beifahrersitz. Der Bordcomputer des Streifenwagens ließ ihm nicht viel Platz. Ly schaltete Sirene und Warnlicht ein, machte mitten auf der Congress Street eine 180-Grad-Wende und raste los. Keine zwei Minuten später erreichten sie den Fish Pier, einen weitläufigen Gebäudekomplex nahe der Commercial Street, direkt am Wasser. Hier waren verschiedene Firmen angesiedelt, die alle irgendwie mit der Fischindustrie zu tun hatten, besonders mit der Not leidenden Grundfischerei. Ein Streifenwagen versperrte ihnen den Weg. Ly stellte die Sirene ab und ließ das Fenster herunter. Der Wind heulte noch lauter als zuvor. Ein Polizist beugte sich zu ihnen herunter. » Hallo, Sergeant. Fahren Sie ganz bis ans Ende des Anlegers.« Er deutete in die Richtung. » Neben dem Schiffswartungsgebäude stehen schon ein Haufen Streifenwagen. Die können Sie gar nicht verfehlen.«
Ly folgte dem sich windenden Weg bis zum Ende des Piers. Zur Linken registrierte McCabe die rechteckige Silhouette des Portland Fish Exchange. Noch vor ein paar Jahren wäre das Gebäude um diese Uhrzeit hell erleuchtet und voller Menschen gewesen. Aber heute war es dunkel und leer. Früher war die Halle ein blühender Umschlagplatz gewesen, in dem die Fischer aus Portland sowie etlichen anderen Häfen von Maine ihren Fang zum Kauf anboten, doch mittlerweile herrschten harte Zeiten für die Fischbörse. Die Regierung hatte mit dem Ziel, die Fischbestände zu vergrößern, strenge Fangquoten erlassen und die Fischfangtage auf ein absolutes Minimum reduziert. Die Fangzahlen sowie die Einnahmen waren kontinuierlich gesunken. Und irgendwo hatte McCabe gelesen, dass die mächtige Anti-Hummerfischer-Lobby zu allem Überfluss auch noch durchgesetzt hatte, dass die Fischer die wenigen Hummer, die sich in ihre Netze verirrten, nicht mehr wie bisher frei verkaufen durften. Sie mussten sie ins Meer zurückwerfen. Oder aber nach Hause schmuggeln, um sie im Freundeskreis zu verspeisen.
Angesichts der ständig schrumpfenden Fischmenge fanden die Fischauktionen nicht mehr, wie einst, täglich um die Mittagszeit statt, sondern nur noch in unregelmäßigen Abständen. Die halbe Zeit fielen sie ganz ins Wasser. Einige der alteingesessenen Fischerfamilien waren im Begriff, aus dem Geschäft gedrängt zu werden. Andere waren die Küste hinabgezogen, nach Gloucester, wo der Verkauf von verirrten Hummern noch erlaubt war. Und die wenigen, die dageblieben waren, waren nicht besonders zufrieden mit ihrer Existenz.
Am Ende des Anlegers, neben dem Schiffswartungsgebäude, sah McCabe ein ganzes Rudel Streifenwagen des Portland Police Department stehen, alle mit blinkenden Warnlichtern. Dahinter begrenzte gelbes Absperrband den Fundort der Leiche. Ly hielt neben den anderen Fahrzeugen an. Ein halbes Dutzend Polizisten mit Atemwolken vor den Mündern stampfte mit
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