Angstschrei: Thriller
Ahnung, wovon Sie reden.« McCabe hörte, wie Shockley Fortier bat, zu gehen und die Tür zuzumachen. Dann schaltete der Polizeichef den Lautsprecher aus und sagte mit leiser, drohender Stimme: » McCabe, wenn Sie Ihren Arbeitsplatz behalten wollen, ja, wenn Sie überhaupt in Portland bleiben wollen, dann sollten Sie Ihre selbstgerechte Empörung schleunigst besser zu beherrschen lernen.« Und dann, als sei es ihm nachträglich noch eingefallen: » Und außerdem sollten Sie lernen, sich an die Fakten zu halten.«
» Wenn ich mich irre, dann möchte ich mich hiermit in aller Form entschuldigen. Aber vielleicht sehen Sie mal nach, was auf News Center 6 gerade läuft.«
Es folgte eine kurze Stille, während Shockley den Fernseher in seinem Büro einschaltete. Dann vernahm McCabe im Hintergrund etwas, das sich nach Josie Tenants Live-Bericht anhörte. Shockley war wieder am Apparat. » Das ist wirklich sehr bedauerlich«, sagte er. » Josie müsste es eigentlich besser wissen.« Seine Stimme hörte sich angespannt und verärgert an. Dann legte er auf. Falls McCabe sich nicht gerade um seinen Job gebracht hatte, dann, so dachte er, hatte er wenigstens Tenants direkten Draht zu den Ermittlungen unterbrochen.
Maggie bog vom Fish Pier nach rechts in die Commercial Street und fuhr nach Osten, in Richtung Old Port. McCabe ließ sich gegen die Kopfstütze sinken und machte die Augen zu. Die Fenster waren geschlossen, und die Heizung blies warme Luft in den Innenraum, der allmählich anfing, intensiv nach fettigen Chicken McNuggets zu riechen. McCabe tastete mit dem Fuß herum und stieß gegen den leeren Pappbehälter. Er hob ihn auf und warf einen Blick hinein. Ein paar wenige kalte Hühnchenstücke lagen noch darin. » Hast du was dagegen, wenn wir das da kurz entsorgen? Mir wird schlecht.«
» Tut mir leid. Mein Abendessen«, erwiderte Maggie, eine unverbesserliche Konsumentin aller Arten von Fast Food. Aber aus irgendeinem Grund schien ihr das nicht das Geringste anhaben zu können. Ihr hoch aufgeschossener, schlanker Körper setzte praktisch kein Fett an. Sie hielt neben einem Mülleimer am Straßenrand an, und McCabe warf die Pappschachtel hinein. Anschließend ließ er das Fenster noch ein bisschen offen, um den Gestank zu vertreiben.
» Alles okay?«, sagte sie. » Du fängst jetzt nicht an zu kotzen oder irgend so was?«
McCabe saß zurückgelehnt auf dem Beifahrersitz, starrte zum offenen Fenster hinaus und sog die kalte Luft ein. » Nein«, sagte er. » Alles in Ordnung.«
Sie bog nach links in die Market Street ein. Eiseskälte hin oder her, es war Freitagabend, und die Bars und Kneipen im Old Port brummten. Jugendliche, bewaffnet mit ihren Ausweisen– gefälschten oder echten–, hasteten von einer lärmumtosten Türöffnung zur nächsten.
» Weißt du, es ist schon seltsam«, sagte sie. » Ich hab dich im Lauf der letzten Jahre schon, na, sagen wir, bei einem Dutzend Mordopfern erlebt. Manche hatten Stichwunden, andere Schusswunden, wieder andere keine Arme, Beine oder sonstige Körperteile mehr. Manche waren schon aufgebläht und grün angelaufen. Und fast alle erheblich blutiger als unsere Eiszapfen-Lady hier. Aber noch nie habe ich dich so blass werden sehen wie vorhin. Kannst du dich noch an den Song › A Whiter Shade of Pale‹ erinnern? Weißer als weiß– genau so hast du ausgesehen.«
» A Whiter Shade of Pale«, 1967. Procul Harum. Sechs Wochen am Stück die Nummer eins der britischen Charts. In den USA nur auf Platz fünf. Manchmal wünschte McCabe sich eine Taste, mit der er den ganzen Müll, der in seinem Kopf herumschwirrte, einfach löschen konnte. » Okay. Was willst du damit sagen?«
» Ich hab dich eben einfach noch nie so reagieren sehen. Und ich frage mich natürlich, was der Grund ist.«
» Du hast doch gesagt, du würdest mich nicht danach fragen.«
» Ich hab’s mir anders überlegt.«
» Zu viel Alkohol auf leeren Magen. Nichts weiter.«
» Ach, komm schon, McCabe. Das glaubst du doch selbst nicht.«
» Es war der Whiskey«, sagte er mit Bestimmtheit.
» Blödsinn. Das war nicht der Whiskey. Das war die Leiche. Du sahst aus, als hättest du einen Geist gesehen. Als würdest du sie kennen oder irgend so was. Und dann hast du Sandy angerufen– was sollte das denn?«
Er starrte Maggie an, und sie erwiderte seinen Blick. Er musste ihr wohl irgendetwas sagen. Abgesehen von Kyra und Casey war sie hier in Portland diejenige, die ihm am nächsten stand. Schließlich zuckte er
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