Angstschrei: Thriller
mit den Schultern. » Nein, ich kenne sie nicht. Aber ich hab’s kurz gedacht. Sie sieht aus wie meine Exfrau.«
» Sandy?«
» Genau die. Caseys Mutter. Die wundervolle Frau, die uns sitzen gelassen und es nicht einen Tag bereut hat. Ich habe diese Leiche da im Kofferraum liegen sehen, und, bumm, mit einem Mal war das nicht mehr irgendeine Unbekannte oder Elaine Goff oder sonst jemand. Ich habe Sandy gesehen. Tot. Nackt. Und zu Stein gefroren. Ich hatte das Gefühl, als sei es wirklich sie.«
» Merkwürdig.«
» Ja. Merkwürdig.« Den Rest behielt er für sich, weil er nicht wusste, wie er es ausdrücken sollte, und außerdem ging es sie wahrscheinlich sowieso nichts an. Sein Handy klingelte. Er warf einen Blick auf das Display. Sandy. Er steckte das Handy zurück in seine Tasche und überließ Sandy der Mailbox. Er wollte jetzt nicht mit ihr reden. Er merkte, dass er schwitzte, und drehte die Heizung herunter.
6
Keine Minute später manövrierte Maggie den großen Ford durch die schmale Gasse, die zur Polizeigarage führte, und parkte ihn in der Nähe der Hintertür in einer Lücke zwischen zwei schwarz-weiß lackierten Streifenwagen. Ohne zu sprechen, betraten sie das Gebäude und fuhren mit dem Fahrstuhl in den dritten Stock. Bis auf Tom Tasco, der gerade telefonierte, und Brian Cleary, der die Füße auf seinen Schreibtisch gelegt hatte und genüsslich ein Stück Pizza verzehrte, war das Büro unbesetzt. Cleary, der die Uniform erst vor Kurzem gegen Zivilkleidung getauscht hatte, war noch neu im Dezernat. Tasco hingegen war ein erfahrener Detective, der schon seit über achtzehn Jahren für das Portland Police Department tätig war. McCabe fand, dass er der Richtige war, um Cleary einzuarbeiten und mit allem vertraut zu machen. Tascos bisherigen Partner, Eddie Fraser, hatte er dem gelegentlich etwas schwierigen Carl Sturgis zugeteilt.
Als McCabe und Maggie näher kamen, hob Cleary den Blick. » Wenn ihr auch was zu essen wollt, hinten im Konferenzraum ist noch mehr davon«, sagte er.
Da erst merkte McCabe, wie ausgehungert er war. Bis auf einen Bagel zum Frühstück hatte er den ganzen Tag noch nichts gegessen. » Okay, dann machen wir unsere Besprechung dort.« Er signalisierte Tasco, dass er nachkommen solle, sobald er das Telefonat beendet hatte. Auf dem großen Konferenztisch standen ein paar warme Colas und einige offene Pizzaschachteln. Ein Detective namens John Hughes aus dem Dezernat für Eigentumsdelikte nahm sich gerade ein Stück. » Wem schulde ich hierfür was?«
» Geht alles auf Shockley«, erwiderte Cleary.
» Das ist aber das erste Mal«, meinte Hughes. » Er muss euch wirklich gern haben.« Hughes nahm sein Pizzastück in die Hand und verließ den Raum. Tasco kam dazu.
» Ist Shockley noch da?«, wollte McCabe wissen.
» Nein, ist gerade gegangen. Fortier auch«, sagte Cleary.
» Gibt’s sonst irgendetwas Neues?«
» Du meinst, abgesehen von deiner tiefgefrorenen Leiche?«
» Ja, genau. Abgesehen davon.«
» Ein paar Arschlöcher haben beschlossen, das neue Jahr damit einzuläuten, einen Obdachlosen zu Brei zu schlagen, drüben in der Preble Street.«
» Nur zum Spaß?«
» Sieht ganz so aus. Vielleicht hat das Ganze auch einen rassistischen Hintergrund. Das Opfer war schwarz und hatte absolut nichts Wertvolles bei sich. Bill und Will sind an der Sache dran.« Seit McCabe die beiden Detectives Bill Bacon und Will Messing vor drei Jahren zu einem Team gemacht hatte, waren sie allgemein nur noch unter ihren sich reimenden Vornamen bekannt.
» Kennen wir die Täter?«
» Noch nicht. Das Opfer liegt auf der Intensivstation im Cumberland Medical Center. Vielleicht kommt er durch, vielleicht auch nicht.«
Detective Carl Sturgis streckte den Kopf zur Tür herein. » Ist das eine private Feier, oder darf hier jeder mitmachen?«
» Komm rein, Carl«, sagte McCabe. » Wo hast du denn Eddie gelassen?«
» Bei einer Schultheateraufführung. Peter Pan. Seine Tochter spielt die oberste Fee.«
» Tinker Bell?« Maggie lächelte.
» Ja, genau. Tinker Bell. Dürfte mittlerweile vorbei sein«, sagte Sturgis mit einem Blick auf seine Armbanduhr. Er nahm sich ein Stück Pizza und eine Cola und setzte sich hin.
McCabe gab Maggie ein Zeichen. Sie nickte und klappte ihr Handy auf. » Hallo, Eddie, hier ist Maggie.« Pause. » Tut mir leid, dass ich dich zu Hause anrufe, aber wenn das Theaterstück jetzt zu Ende ist, könnten wir dich heute Abend noch in der Zentrale gebrauchen.« Pause.
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