» Ja, genau. Ein Mord. Stell dich auf eine lange Nacht ein.« Pause. » Nein. Du kannst ruhig noch warten, bis der Star des Abends im Bett ist. Bis dahin schaffen wir es auch so. Ich hoffe, das Publikum war begeistert.«
» Übrigens, so ein uniformierter Kollege in Übergröße, Joe Vodnick, hat gerade einen Zeugen im kleinen Verhörzimmer abgeliefert«, sagte Sturgis. » Einen gewissen Hester?«
» Der kann ruhig noch einen Augenblick warten«, meinte McCabe.
Tasco kam herein und verteilte einige Farbfotos. Jeder bekam drei Aufnahmen, die alle ein und dieselbe Frau zeigten. »Elaine Goff?«, erkundigte sich Maggie.
» Ja«, meinte Tasco. »Elaine Elizabeth Goff, Rechtsanwältin und, wie ihr alle wisst, Besitzerin eines nagelneuen BMW 325i Cabrio. Ich nehme an, das ist eure Leiche?«
McCabe legte die drei Bilder eines nach dem anderen vor sich auf den Tisch. Die Ähnlichkeit mit Sandy war sogar noch verblüffender als bei der toten, gefrorenen Frau im Kofferraum. » Ja«, sagte er dann, » das ist sie. Wo hast du denn die Fotos her?«
» Von Google Bilder. Wirklich verblüffend, was man da alles findet.«
McCabe sah sich die Bilder der Reihe nach an. Das erste war ein Bewerbungsfoto, schwarz-weiß. Eine gestellte, sehr förmliche Aufnahme im Stil von Fabian Bachrach. Das zweite musste aus irgendeinem Urlaubs-Blog stammen. Es zeigte Goff in einem knappen Bikini an einem Swimmingpool. Palmen im Hintergrund. Sie blickte direkt in die Kamera und nippte an einem Cocktail, der nach Piña Colada aussah. Auf diesem Bild sah sie Sandy am ähnlichsten. Sehr viel ähnlicher jedenfalls als als Tote im Kofferraum eines BMW . Und das lag nicht nur an der Umgebung oder an dem Bikini. Es war ihre Ausstrahlung. Dieselbe Mischung aus Lächeln und Grinsen, die er tausende Male gesehen hatte. Die besagte: Mach dir keine Hoffnungen, Arschloch, für einen Typen wie dich bin ich einfach ein paar Nummern zu scharf. Er hatte das Gefühl, als wüsste er bereits jetzt alles, was man über Elaine Elizabeth Goff wissen konnte. Obwohl die beiden nicht identisch waren. Obwohl es Unterschiede geben musste. Er musste sich vor diesem Gefühl in Acht nehmen.
Auf dem letzten Bild trug Goff ein trägerloses schwarzes Abendkleid. Es musste bei einem festlichen Anlass entstanden sein. Sah aus wie die Art von Fotos, die Pressefotografen auf schicken Spendengalas schossen. Der Press Herald war voll mit solchem Kram. Sie war nicht allein auf dem Bild, sondern in Gesellschaft einer anderen jungen Frau, einer attraktiven, sommersprossigen Blondine, sowie dreier Männer in Abendgarderobe. Zwei davon hatten graue Haare und waren schätzungsweise Mitte fünfzig. Der dritte, der rechts neben Elaine Goff stand, war vielleicht zehn Jahre jünger. Seine intensiven, dunkelblauen Augen waren direkt auf das Objektiv der Kamera gerichtet. Schmales Gesicht, krumme Nase und halblange dunkle Haare. Er war vielleicht nicht unbedingt attraktiv, aber in seinem Blick lag etwas Besonderes, eine gewisse Anziehungskraft. Star-Qualität. Charisma. Wie man es auch nennen mochte, jedenfalls war es selbst im direkten Vergleich mit einer Schönheit wie Elaine Goff durchaus denkbar, dass der Blick des Betrachters zuerst bei ihm hängen blieb– und auch am längsten bei ihm verweilte.
» Wer ist denn der Typ mit den dunkelblauen Augen?«, erkundigte sich McCabe.
» Das ist John Kelly«, erwiderte Tasco. » Er leitet das Sanctuary House, eine kleine, gemeinnützige Einrichtung. Ein Heim für minderjährige Ausreißer am Longfellow Square. Klingt nicht wie einer, der in Abendgarderobe rumläuft. Das muss also auf irgendeiner Spendengala für seine Einrichtung gewesen sein.«
» Wer sind die Frau und die beiden anderen Männer neben Goff?«
» Weiß ich noch nicht«, meinte Tasco. » Das müssen wir noch rauskriegen.«
McCabe steckte die Bilder in die Brusttasche seines Jacketts.
Tasco reichte jedem einen weiteren Ausdruck. »Elaine Goffs Porträt auf der Webseite von Palmer Milliken.«
Elaine E. Goff
Angestellte Rechtsanwältin
Durchwahl: 207/555-1041
[email protected]Elaine Goff ist seit dem Jahr 2000 als Rechtsanwältin in der Abteilung für Firmenfusionen und Übernahmen bei Palmer Milliken tätig. Zuvor absolvierte sie ihr Rechtsreferendariat am United States District Court unter Richter Edward Mellman.
Ausbildung
Nach ihrem Bachelor of Arts am Colby College (1997) besuchte Elaine Goff die Cornell University School ofLaw, wo sie im Jahr 2000 ihren