Angstschrei: Thriller
stimmt, ich habe eine Pistole. Das muss ich sogar«, erwiderte er.
» Niemand muss eine Pistole haben.« Vielleicht war er ja doch der TOD .
» Ich schon. Ich bin Polizist. Ehrlich, Abby, alles in bester Ordnung.«
Er lächelte wieder. Das freundliche, beruhigende Lächeln, das die Stimmen zum Gähnen brachte und sie in den Schlaf wiegte. Er zog eine Brieftasche aus seiner Jackentasche und klappte sie auf. Eine Dienstmarke und ein Ausweis mit einem Passfoto von ihm. Portland Police Department. Joseph L. Vodnick. Er reichte ihr eine Visitenkarte und sagte: » Hören Sie, Abby, wenn Sie irgendwann mal vor etwas Angst haben oder sich sonst irgendwie bedroht fühlen, dann rufen Sie die Nummer auf dieser Karte an. Dann komme ich Ihnen sofort zu Hilfe. Okay?«
Abby betrachtete die Karte und nickte, gab aber keine Antwort. Während der Fahrt starrte sie einfach nur geradeaus und sah den Scheibenwischern dabei zu, wie sie den Schnee wegwischten.
16
Portland, Maine
Samstag, 7. Januar
9.00 Uhr
Ganz langsam, die Augen geschlossen, näherte sich McCabe dem Wachzustand. Sonnenstrahlen wärmten sein Gesicht. Irgendjemand musste die Jalousien hochgezogen und die Sonne hereingelassen haben. Die Helligkeit war richtiggehend schmerzhaft, trotz der geschlossenen Lider. Keine besonders nette Geste gegenüber jemandem, der nur ein paar Stunden Schlaf bekommen hatte. Er ließ die Hand auf die andere Hälfte des Bettes gleiten, tastete herum, ohne Erfolg. Er streckte sich noch ein bisschen weiter. Nur Laken, sonst nichts.
» Suchst du was?«
Kyras Stimme kam von hinten. Sie schien amüsiert, und McCabe dachte für sich, dass es beinahe an Frechheit grenzte, zu einer so gottlosen Zeit schon amüsiert zu klingen. Ihm fiel wieder ein, was er am gestrigen Abend alles getrunken und was er nicht gegessen hatte. Zu seiner großen Verwunderung hatte er keine Kopfschmerzen. Nur einen wahnsinnigen Durst. Aber nichts, was irgendwie als Kater durchgegangen wäre. Wahrscheinlich war es hauptsächlich Schlafmangel.
Er wälzte sich auf die linke Seite und blinzelte sie an. » Wie viel Uhr ist es?«
Sie saß in dem Bugholzschaukelstuhl und nippte an einer Tasse Kaffee. » Kurz nach neun.«
Er verarbeitete das Gehörte. Nickte. Okay. Kurz nach neun. Vier Stunden geschlafen. Mehr als genug. Er machte die Augen ein Stückchen weiter auf. Sie trug einen viel zu großen New-York-Giants-Pullover mit Tiki Barbers Nummer einundzwanzig sowie eine karierte Schlafanzughose. Beides gehörte ihm.
» Soll ich dir einen Kaffee holen?«
Er knurrte etwas, das sich vage nach Zustimmung anhörte. Sie machte sich auf den Weg in die Küche. Als sie wiederkam, hatte er sich schon aufgesetzt. Sie stellte einen Kaffeebecher auf das Nachttischchen und reichte ihm ein großes Glas Orangensaft.
» Hier. Ich hatte das Gefühl, als könntest du das hier auch gebrauchen.«
» Danke.« Mit wenigen großen Schlucken leerte er das Glas und ersetzte es dann durch den Kaffeebecher. » Wie war die Vernissage gestern Abend?«
» Großartig. Über hundert Leute. Zwei rote Aufkleber und jede Menge Streicheleinheiten fürs Ego von Gott und der Welt.«
» Auch von Kleinerman?«
» Hm. Ja. Er hat mich interviewt. Und hat gesagt, dass morgen in der Zeitung ein Artikel erscheint.«
» Morgen morgen oder morgen heute?«
» Morgen morgen. Am Sonntag. Wie war dein Mordfall?«
Er holte tief Luft. » Ziemlich übel«, sagte er und nippte an seinem Kaffee. » Eine junge Frau. Rechtsanwältin hier aus Portland. Irgendjemand hat ihr ein Messer in den Nacken gestochen und ihre Leiche dann in den Kofferraum ihres eigenen Autos gelegt. Sie war steinhart gefroren. Aber was mich total aus der Bahn geworfen hat, das war, dass sie Sandy wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Sie sieht wirklich absolut identisch aus.«
Sie musterte ihn neugierig. » Hat dir das etwas ausgemacht?«
Er schwieg eine ganze Weile. Schließlich sagte er: » Ja. Hat es. Am Anfang. Für einen Moment hatte ich den verrückten Gedanken, dass es tatsächlich Sandy ist und dass ich es getan habe, so wie in meinen Träumen. Aber als ich mir klargemacht hatte, dass das Mordopfer weder meine Exfrau noch die Mutter meiner Tochter ist und ich auch nicht ihr Mörder bin, da habe ich mich wieder beruhigt.« Nicht ganz die Wahrheit, aber ziemlich dicht dran. Und was noch besser war, es hatte ihm nichts ausgemacht, ihr von dem Mord oder der Ähnlichkeit zwischen Goff und Sandy zu erzählen. Das war doch ein gutes Zeichen,
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