Angstschrei: Thriller
oder?
» Wisst ihr schon, wer es getan hat?«
» Du kennst ja den alten Spruch, dass jeder tatverdächtig ist, was im Klartext nichts anderes bedeutet, als dass wir keinen Schimmer haben.«
» Was im Klartext nichts anderes bedeutet, als dass dieser Fall deine gesamte Zeit und Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen wird.«
» Für eine Weile, ja, ich denke schon.«
Kyra schlürfte an ihrem Kaffee, während sie sich seine Worte durch den Kopf gehen ließ. Schließlich nickte sie. Mehr zu sich selbst als zu ihm. » Okay. Dann ziehe ich zurück in meine Wohnung.«
» Für immer?«
» Nein. Vorübergehend. Bis der Fall gelöst ist. Bis wir wieder richtig zusammen sein können.«
» Das ist doch nicht nötig.«
» Ich finde schon. Genau das habe ich gestern gemeint. Ich will mir nicht ständig Gedanken darüber machen, was du gerade tust oder wann du nach Hause kommst. Und wenn ich in meiner Wohnung bin, dann denke ich nicht so viel darüber nach. Sag mir einfach, wenn es vorbei ist, dann bin ich wieder da, vergnügt wie ein Fisch im Wasser und mit wedelndem Schwänzchen.«
Er sparte sich jeden Kommentar bezüglich ihrer zusammengewürfelten Metapher. Oder Analogie. Oder was es auch sein mochte. » Dann sehen wir uns also überhaupt nicht?« Er merkte, dass er mit seinem nackten Fuß auf den Boden klopfte. » Und was ist mit Abendessen morgen?«
» Das können wir machen. Falls du überhaupt Zeit dazu hast– was erfahrungsgemäß ziemlich unwahrscheinlich ist. Wenn du bis zu den Ohren in einem Mordfall steckst, dann sehen wir uns doch sowieso nie.«
» Aber es würde dir nichts ausmachen, wenn ich dich zwischendurch mal anrufe?«
» Wenn du mich nicht anrufen würdest, das würde mir etwas ausmachen.«
» In Ordnung. Schätze ich zumindest.« McCabes Miene hellte sich auf. » Wie sieht es denn mit Partnerbesuchen aus? Wie sie im Gefängnis erlaubt sind.«
» Ehrlich? So was ist erlaubt? Im Gefängnis?«
» In New York schon. Und in Kalifornien auch, glaube ich.«
» Und in Maine?«
» Ich glaube, da nicht.«
» Tja, dann wäre das ja geklärt.«
Während Kyra duschte und ihre Sachen zusammenpackte, schlüpfte McCabe in einen Bademantel, ging ins Wohnzimmer und wählte die Privatnummer von Henry Ogden, die Beth Kotterman ihm gegeben hatte. Der Rechtsanwalt nahm nach dem dritten Läuten ab. McCabe erklärte ihm, wer er war und warum er anrief, aber noch bevor er Ogden um ein persönliches Treffen bitten konnte, hatte dieser geschmeidig in den Offizielles-Geschwafel-Modus umgeschaltet und ließ McCabe wissen, dass Beth Kotterman ihn noch am späten Abend angerufen und über Lainies Tod informiert habe und was für ein Schock das für die ganze Kanzlei sei, insbesondere für diejenigen, die, so wie er, in der Abteilung für Firmenfusionen und Übernahmen eng mit ihr zusammengearbeitet hatten. Ja, es war fürchterlich, und die Kanzlei würde sich für die Bestattungsfeier etwas ganz Besonderes einfallen lassen müssen. McCabe schloss die Augen und ließ Ogden weiterschwafeln, hörte kaum zu und versuchte, sich ein zu der Stimme passendes Bild zu machen. Randall Jacksons Beschreibung bezüglich jenes letzten Freitagabends vor Weihnachten kam ihm in den Sinn. Ogden hörte sich genau so an, wie Jackson ihn beschrieben hatte. Wie ein reicher Weißer.
Schließlich unterbrach McCabe den Sermon. » Bitte entschuldigen Sie, Mr. Ogden. Mir ist klar, wie aufwühlend das alles für Sie sein muss, aber ich hatte gehofft, dass wir uns vielleicht kurz treffen und persönlich unterhalten könnten.«
» Über Lainie?«
Wen denn sonst, zum Teufel? » Ja. Über Lainie und über ihre Ermordung.«
» Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ich dazu beitragen…«
» Als Rechtsanwalt ist Ihnen doch sicherlich klar, wie wichtig es ist, dass wir mit jedem reden, der sie gekannt und mit ihr zusammengearbeitet hat. Wir wollen uns ein möglichst umfassendes Bild von ihrem Leben verschaffen und davon, welche Gründe jemand gehabt haben könnte, dieses Leben zu beenden.«
Ogden wollte ihn unterbrechen, aber jetzt war McCabe derjenige, der einfach weiterredete. » Ich würde mich gerne so bald wie möglich mit Ihnen treffen. Am späten Vormittag oder frühen Nachmittag, falls sich das einrichten lässt.«
» Ich fürchte, das passt bei mir nicht besonders gut. Barbara und ich bekommen Besuch von außerhalb zum Mittagessen. Sie hat das schon eine ganze Weile geplant, und Sie wissen ja, wie Frauen sind, wenn der Ehemann ihre Pläne
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