Angstschrei: Thriller
Eichenschreibtisch. Ein paar Klappstühle aus Metall für Besucher. Ein großer Blech-Aktenschrank in der Ecke. Praktisch jede ebene Fläche war mit Papieren übersät– Akten, Anleitungen, Stapeln mit Zeitungsausschnitten, die zum größten Teil vom Sanctuary House oder Kelly persönlich zu handeln schienen. Allesamt voll des Lobes. Auf dem obersten war ein Bild von Kelly zu sehen, die Hände auf den Schultern zweier Teenager, die deutlich gepflegter aussahen als die beiden draußen auf der Veranda. EIN HELD DER STRASSE , verkündete die Schlagzeile.
Die beiden Zimmerwände rechts und links waren hinter überquellenden Bücherregalen verborgen, gebaut aus Backsteinen und rohen Holzbrettern, wie in einer Studentenbude. Hunderte Bücher. Die meisten Titel schienen zu Kellys beruflicher Betätigung zu passen. Zerbrochenes Leben: Die Tragödie der Kindesmisshandlung; Zur Psychotherapie verstoßener Kinder; Spenden sammeln und Gemeinnützigkeit: Lokale Partnerschaften gründen. Er griff nach einem Buch mit dem Titel Die heilende Kraft des Spiels: Arbeiten mit misshandelten Kindern von einer Autorin namens Eliana Gil, blätterte ein wenig darin herum und stellte es wieder zurück. Er ging in die Knie und besah sich die unteren Regalbretter. Überwiegend Bücher zum Thema Religion und Theologie. Zwei Titel in der rechten Ecke hinter Kellys Schreibtisch weckten sein Interesse. Der erste lautete Die Theologie der prophetischen Tradition. Er griff nach dem zweiten: Einführung in die alttestamentlichen Propheten und ihre Botschaft. Er blätterte ein bisschen darin herum. Viele Stellen waren mit gelbem Leuchtstift markiert. Dann schlug er das Inhaltsverzeichnis auf und wurde von Erregung gepackt, gefolgt von einer Woge des Zweifels. Er starrte auf die Worte, die er da las. Kapitel 17. Seite 463. Die Prophezeiungen des Amos. Ihre historische Bedeutung im Zeitalter der Moderne.
Da wurde er von einer tiefen Stimme unterbrochen. » Sie interessieren sich für meine Bibliothek?«
McCabe blickte auf. Zwei dunkelblaue Augen blickten durch eine dicke schwarze Brille zu ihm herab. Er klappte das Buch zu und erhob sich.
» John Kelly?«
Kelly nickte.
» Detective Sergeant Michael McCabe. Portland Police Department.«
Sie gaben einander die Hand.
» Womit kann ich dienen?«
» Alle Sünder in meinem Volk sollen durchs Schwert sterben«, sagte McCabe und beobachtete Kelly genau. Keine Reaktion, abgesehen von sanfter Neugier.
» Wie bitte?«
» Alle Sünder in meinem Volk sollen durchs Schwert sterben. Kommt Ihnen das irgendwie bekannt vor?«
» Ich fürchte, ich weiß nicht, wovon Sie reden.«
McCabe hielt ihm das Buch hin. » Das ist ein Zitat aus dem Buch Amos. Kapitel neun. Vers zehn. Ich habe mich gefragt, ob Sie das vielleicht schon einmal gehört haben.«
» Ich kann mich nicht konkret daran erinnern, aber wahrscheinlich bin ich schon einmal über diese Stelle gestolpert.«
» Ist das Ihr Buch?«
» Selbstverständlich ist das mein Buch, genau wie die anderen auch. Allerdings ist das hier schon ein bisschen älter. Ich habe während des Studiums eine Arbeit über das römisch-katholische Verständnis der alttestamentlichen Propheten geschrieben.«
» Haben Sie dabei auch das Buch Amos mit berücksichtigt?«
» Ja. Das war allerdings nicht der Schwerpunkt.«
» Aber an diesen speziellen Vers können Sie sich nicht erinnern?«
» Nicht genau, aber bei Amos geht es ja ständig darum, dass die Sünder ausgemerzt werden sollen, insofern passt diese Stelle recht gut ins Gesamtbild.«
» Interessant.«
» Wenn Sie das sagen.«
» Interessieren Sie sich immer noch für die Bibelforschung?«
» Vermutlich schon. Damit habe ich schließlich meinen Doktortitel erworben. Und es war das Fach, das ich am College unterrichtet habe, bevor ich die Entscheidung traf, nicht nur zu reden, sondern auch zu handeln und diese Institution hier zu gründen. Ich lese immer noch ab und zu etwas zu dem Thema, und manchmal schreibe ich sogar etwas. Wenn ich Zeit habe. Was nicht allzu oft vorkommt.«
» Wer weiß von Ihrer Arbeit über die prophetischen Traditionen?«
Kelly stieß einen tiefen Seufzer aus. » Also, so langsam wird es langweilig. Ich habe keine Ahnung. Mein Dozent von damals erinnert sich vielleicht noch daran. Und mein damaliger Mitbewohner vielleicht auch. Aber warum, um alles in der Welt, stellen Sie mir Fragen über Amos-Zitate?«
» Findet man diese Arbeit über Google?«
» Meine Seminararbeit?« Kelly warf
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