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Angstspiel

Titel: Angstspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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den Film gucken. Natürlich habe ich mir alle Typen in der Vorstellung genau angesehen. So viele ohne weibliche Begleitung waren es nicht. War ein Film mit Hugh Grant. In den gehen Typen meist nicht alleine oder mit einem Kumpel. Direkt vor mir saßen zwei so pubertierende Pickel-Bubbis mit einer riesigen Colaflasche. Mitten in der Vorstellung hatte ich plötzlich die Wahnvorstellung: Einer von den Zwergen ist Kaktus! Ich chatte die ganze Zeit mit einem Jungen, der gerade im Stimmbruch ist und TKKG-CDs hört, während er mit mir spricht! Ich hatte mich dann mutig vorgelehnt und einmal laut »Kaktus« gesagt. Die beiden haben mich kurz erschrocken angeguckt und dann weiter über Hugh Grant gekichert. Das war eindeutig nicht gespielt. Außerdem haben die beiden die einfachsten Gags nicht verstanden. Wer so blöd ist, der kann sich auch im Chat nicht so verstellen.
    Kaktus und ich haben uns später am Bildschirm über meine kurzfristige Wahnvorstellung zusammen kaputtgelacht.
Wie zynisch. Kaktus war keiner von den Milchschnitten aus dem Kino. Aber er war auch nicht der, der er vorgab zu sein. Und er hat es so verdammt gut gespielt. Er hat mir nie erzählt, wie toll er ist. Auch nicht zwischen den Zeilen. Er hat nicht damit geprahlt, wie viel er am Abend vorher wieder getrunken hat oder so. Er hat nicht über seine spießigen Eltern abgelästert wie die meisten anderen Typen, die ich so kenne. Er hat in ganzen Sätzen geschrieben, nicht so hingerotzt wie sonst so viele im Netz. Das mag ich nämlich überhaupt nicht. Er hat auch nie lange auf sich warten lassen. Nie musste ich so was Doofes lesen wie Sorry, bin gerade auf dem Sprung. CU later oder so. Das hasse ich nämlich. Ich mag nicht so abgebügelt und abgewiesen werden. Dann weiß ich sofort: Der andere hat jetzt was Besseres vor. Was Besseres als ausgerechnet mit mir gerade zu plaudern. Und noch schlimmer: Der andere weiß auch, dass ich gerade eben nichts Besseres vorhabe. Bei so was fühle ich mich, als würde mich jemand einfach so auf der Tanzfläche stehen lassen. Kaktus hat sich sogar entschuldigt, wenn er mal ein, zwei Tage nicht im Chat war. Ein Mal hat er es sogar vorher angekündigt. Ich fand das total höflich.
     
    Luise klopft an die Tür. So wie sie immer klopft. Drei Mal kurz und dann steht sie auch schon im Zimmer. Sie wartet nie auf eine Antwort. Ein Mal habe ich ganz schnell »NEIN« gesagt. Da stand sie schon mitten im Raum und fragte ganz erstaunt: »Warum nicht?«
    Sie legt sich neben mich aufs Bett.
    »Kommst du klar?«
    »Klar.«
    »Tut es noch weh?«
    Im allerersten Moment weiß ich gar nicht, was sie meint. Erst als ich ihren Blick, der auf meinem Verband
ruht, sehe, fällt es mir wieder ein. Die Angst tut so weh, dass ich die Schnitte schon ganz vergessen hatte.
    »Ein bisschen.«
    Es tut gut, sie bei mir zu haben. Luise nervt mich oft. Sie macht mich oft wahnsinnig. Aber sie hat auch was Beruhigendes. Luise ist meine persönliche Überlebensversicherung. Das ist das Gute. Das ist aber auch das Schlimme. Unser Vater hat früher oft »unser Tandem« zu uns gesagt. Das war schon immer Quatsch. Luise lenkt vorne und sie gibt hinten Gas. Ich sitze auf dem Gepäckträger und erzähle Luise, was ich unterwegs Schönes, Witziges oder Seltsames sehe. Seit diesem Sommer sitze ich auf meinem eigenen Rad und ich spüre, dass ich es direkt, ohne jeden Umweg, vor die Wand gefahren habe. Und ich kann ihr noch nicht mal davon erzählen! Sie würde natürlich denken, dass dies reiner Verfolgungswahn sei - ein psychischer Knacks, weil sie mich allein gelassen hat. Wahrscheinlich würde sie sich schuldig fühlen, weil sie von unserem Tandem abgestiegen ist. Vielleicht würde sie sogar glauben, ich denke mir das aus, um ihr ein schlechtes Gewissen zu machen. Wirkliche Hilfe kann ich da nicht erwarten. Von keinem aus meiner Familie.
    »Ist Paul heute nicht da?«
    »Nö.«
    Sie liegt auf dem Rücken und macht leichte Sit-ups.
    Nur mit mir zu reden scheint keine allein befriedigende Beschäftigung zu sein. Ich kann sie verstehen. Ich bin nicht gerade gesprächig. Unterhaltsam schon mal gar nicht.
    »Dieser Psycho-Fred im Krankenhaus glaubt, dass du dir das Leben nehmen wolltest.«
    Also hat er tatsächlich nicht geplaudert? Oder er hat mir nicht geglaubt? Oder denkt Luise sich das nur? Sie
trainiert jetzt die schrägen Bauchmuskeln, hat die Arme hinterm Kopf verschränkt.
    »Habe ich auch gehört.«
    »Und?«
    »Lu, du weißt, dass ich dazu viel zu feige

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