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Angstspiel

Titel: Angstspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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von dem ich ihr noch nichts erzählt habe. Opas Blick sagt: Habe ich was falsch gemacht? Hätte ich nach dem Namen fragen sollen? Und meine Eltern prüfen mich. Wissen sie etwa doch von der Lüge mit dem »Ich will dich ficken«? Hat der Bleicher ihnen das erzählt? Hat er mich reingelegt? Glauben sie, dass ich einen Freund habe, von dem ich noch nichts erzählt habe? Glauben sie womöglich,
dass es einen Typen gibt, wegen dem ich mich umbringen wollte? Ich sehe in ihren Augen, dass sie keine Ahnung haben, was sie glauben sollen.
    »Ach, Mist. Das habe ich ja total vergessen. Lennart wollte heute Nachmittag vorbeikommen und mir Kopien für das Englisch-Referat bringen. Habe ich ja total vergessen.«
    Die Blicke lassen von mir ab. Alle glauben mir.
    Vorsichtig gehe ich in mein Zimmer.
    Er war also hier. Ich gucke mich um wie eine Fremde. Was würde ich sehen, käme ich zum ersten Mal hier herein? Ich sehe als Erstes einen BH vorm Bett liegen. Es sieht total obszön aus. Wie dicke Wülste sind die Push-up-Einlagen umgeklappt. Ich spüre, wie ich rot werde. Hat er ihn angefasst? Lag der BH vorher schon auf dem Boden oder hat er ihn dahin geworfen? Ich taste nach meinem Tagebuch. Es liegt immer noch hinter einer Bücherreihe im Regal. Hat er es wohl gefunden? Wie lange war er überhaupt hier in meinem Zimmer? Hat er mich beobachtet, wie ich ins Kino gegangen bin, und hat beschlossen, die Zeit zu nutzen? Hat er meine Kuscheltiere angefasst, sie grinsend beschnuppert? Mir wird schlecht. Das Zimmer ist mein Spiegelbild und er konnte alles in Ruhe betrachten. Und begrapschen. Er konnte durch mein äußeres Inneres schlendern. Das Zimmer ist vergiftet. Alles in mir schreit danach, diese von ihm verbrauchte Luft herauszuscheuchen. Aber ich habe Angst, die Fenster aufzureißen.
    In dieser Nacht schlafe ich im Wohnzimmer auf der Couch. Ich tue so, als würde ich mir noch einen Spätfilm angucken, und stöhne am nächsten Morgen: »Mensch, da bin ich doch glatt im Wohnzimmer eingeschlafen. Ich war aber auch total groggy.«
     
    Am schlimmsten finde ich, dass alles so aussieht, als wäre er nicht da gewesen. Wenn da eine Spur von ihm wäre, ein
Zeichen, dann hätte ich was in der Hand. Vielleicht wüsste ich sogar, was er von mir will. So jedoch weiß meine Angst gar nicht, in welche Richtung sie taumeln soll. Aber vielleicht hat er doch einen Fehler gemacht. Vielleicht ist er doch zu weit gegangen, mir zu nah gekommen: Als ich Julchen am Montag in der großen Pause von seinem Besuch erzähle, wird sie richtig wütend. Bis jetzt war sie immer nur mitleidig, wenn ich von dem ominösen Unbekannten erzählt habe. Ein bisschen mitleidig und vor allem genervt. Sie konnte es nicht wirklich verstehen. Hat die Bedrohung nicht gefühlt, die Angst nicht geschmeckt. Aber die Vorstellung, dass irgendjemand in ihrem Zimmer heimlich rumschnüffeln könnte, findet sie anscheinend auch abstoßend. Oder tut mir zuliebe wenigstens so.
    »Wie konnte dein Opa den denn einfach so in dein Zimmer lassen? Der hätte ja auch alles Mögliche klauen können.«
    »Mein Opa ist einfach zu gutmütig. Und er glaubt, alle anderen sind genauso. Der ist nicht so wie andere Alte, die überall nur das Böse sehen. Der ist das absolute Gegenteil. Irgendwie ja auch liebenswert.«
    »Liebenswert? Der Typ wühlt da womöglich in deiner schmutzigen Wäsche, aalt sich in deinem Bett und dein Opa sitzt nebenan und legt sich eine Patience. Der hätte sogar deinem Opa was antun können.«
    Darüber hatte ich noch gar nicht nachgedacht. Julchen steigert sich jetzt richtig in die Vorstellung rein und wird immer lauter.
    »Hast du überhaupt mal geguckt, ob noch alles da ist? Sparbücher oder so was? Wenn dir das nächste Woche auffällt, ist es zu spät.«
    Als hätte es der Typ auf die dreihundert Euro auf meinem Sparbuch abgesehen. Wenn es das wäre, hätte ich ihm die Kohle schon längst gegeben.

    »Vielleicht hat der ja auch was ganz Persönliches von dir mitgenommen.« Julchen guckt mich richtig panisch an.
    »Was meinst du denn damit?«
    »Es gibt die perversesten Typen. Manche schnüffeln gerne an alten Socken oder ziehen sich gerne getragene Mädchenslips an.«
    »Woher weißt du das denn?«
    »Hat Philipp mir, glaube ich, mal erzählt.«
    »Und? Ist Philipp auch scharf auf deine Wäsche?«
    Sie gluckst vor Lachen. Die Vorstellung, wie sich Philipp in die winzigen Strings und Spitzen-BHs zwängt, ist aber auch komisch. Ihr Gesicht verdüstert sich sofort wieder nach

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