Angstspiel
damit eine Freude machen wollen. Er freut sich über jede sportliche Aktivität von Luise und mir. Vielleicht, weil er
selber ein bisschen faul geworden ist. Da ich heute Morgen ein bisschen spät dran gewesen war, hatte ich mein Fahrrad ganz hinten im Radkeller abstellen müssen. Der Keller ist superfies. Ich möchte gar nicht wissen, wie viele Spinnen da in den Ecken hocken. Bestimmt die absoluten Monstermodelle.
Es ist Fassungslosigkeit, die mich erfasst. Ich versuche gerade verzweifelt, meine Tasche mit dem zu kurzen Gummi auf dem Gepäckträger zu befestigen, als mich das laute Scheppern total erschreckt. Und die absolute Finsternis natürlich auch. Schon mit weit geöffneter Tür ist der Keller immer etwas gruselig finster. Als die Tür zuknallt, gibt es nur noch Schwärze. Ich bleibe einfach stehen. Völlig eingefroren. Ich warte. Denke, dass jeden Moment die Tür wieder aufgehen müsste. Irgendjemand müsste doch noch kommen, um sein Rad zu holen. Aber ich bin ja sehr spät dran. Alle anderen sind schon weg. Ich kann mich dran erinnern, dass da noch Räder standen, als ich reinkam. Aber manche lassen ihre Räder ja auch tagelang hier stehen. Keine Ahnung, wie lange ich jetzt hier schon verharre. Irgendwann wird mir klar, dass ich was machen muss. Dass ich selber zur Tür gehen muss. Wenn man lange ins Dunkel guckt, schälen sich ja irgendwann Umrisse aus der Schwärze. Nicht hier. Solange ich auch angestrengt in die Finsternis gucke, es bleibt schwarz. Ich fange an, mich Richtung Ausgang zu tasten. Ich fühle drei Räder, dann kommt der Mittelgang. Ich biege rechts ab, gehe vorsichtig weiter, stoße plötzlich mit dem Knöchel gegen einen Sattel und liege auch schon auf dem Boden. Ich knalle unsanft auf das dort herumliegende Rad. Meine Hand schmerzt. Ich rappele mich auf und habe die Orientierung verloren. In welche Richtung muss ich gehen?
Die Panik war vorher schon da. Lauerte in mir, saß in einer Ecke. Jetzt reißt sie eine Tür in meinem Kopf ein
und plötzlich ist sie überall. In meinem Kopf, in meinen Händen, in den Oberschenkeln - alles zittert plötzlich. Ich muss diese verdammte Kellertür finden. Draußen war es trüb und grau. Ich sehe noch nicht mal eine Ahnung von Licht irgendwo reinschimmern. Das umgefallene Rad liegt vor mir. Dahinter müsste die Tür ein. Ich taste mich vorwärts. Vorsichtig setze ich die Schritte, zwinge mich weiterzugehen. Plötzlich ist da wieder ein Fahrradständer. Ich bin in die falsche Richtung geraten. Ich lasse mich auf alle viere fallen. Krabbele weiter, fasse in irgendwas Ekliges. Vielleicht Dreck. Vielleicht Hundekacke, die irgendjemand am Reifen kleben hatte. Ich traue mich nicht, an meiner Hand zu riechen. Ich komme an einer Wand an, versuche tief durchzuatmen. Wieso ist diese verfickte Tür zugefallen? War das so windig? Oder war das kein Wind? Ich finde das Gummiband an meinem Handgelenk. Lasse es schnacken. Zwei Mal. Drei Mal. Wenn ich mich jetzt an der Wand entlangtaste, muss ich irgendwann zur Tür kommen. Ich versuche mich auf diesen Gedanken zu konzentrieren. Entscheide mich für linksrum. Die Ecke kommt. Meine Knie tun mir schon weh vom Krabbeln. Der Betonboden ist hart und kalt. Ich fühle ein Scharnier, fühle das kühle Metall der Tür. Ich taste nach der Klinke. Endlich. ENDLICH.
Ich greife zu, drücke sie runter. Die Tür ist zu. Bleibt zu. Ich rüttele. Schreie laut. Sie gibt ein paar Millimeter nach. Mehr nicht. Sie ist abgeschlossen. Zugeschlossen. Ich bin eingesperrt. Die Angst greift mit zwei Händen nach meinem Hals, drückt zu. Alles in mir wird eng. Ich kann nicht mehr richtig atmen. Mit aller Gewalt ziehe ich Sauerstoff in meine Lunge, brülle los, hämmere mit den Fäusten gegen die Tür. Ich schreie keine Worte, nur Laute. Mir fällt kein Wort ein, das helfen könnte. Das Brüllen bricht ab, die Tränen sind da. Ich schluchze, höre mich an wie ein
verzweifeltes Tier. Ich muss meine Tasche finden. Da ist mein Handy drin. Wieso ist es nicht in meiner Jackentasche? Ich habe es fast immer in meiner Jacke. Wo ist mein Rad? Ich muss es finden. Nur das zählt jetzt. Wenn hinter mir die Tür ist, steht es hinten links. Ich krabbele wieder los. So schnell ich kann, fühle mich wie ein gehetztes Tier, das den Jäger nicht sieht, aber weiß, dass er irgendwo im Gebüsch hockt. Ich knalle mit dem Kopf an die Wand, registriere kurz den Schmerz, biege links ab. Jetzt ist alles egal. Ich stehe auf, ich muss schneller sein, muss hier raus. Ich
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