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Angstspiel

Titel: Angstspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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passiert nichts.
    Ich halte die Luft an und lasse sie erleichtert entweichen, als Luise ihren Kopf durch die Tür steckt. »Störe ich?«
    Ich ahne schon jetzt, dass sie irgendwas vorhat.
    »Noch nicht.«
    Sie hockt sich vor mich hin.
    »Würdest du nicht auch mal gerne Fotomodel werden?« Sie hat ihren sabbernden Hundeblick in den Augen.
    »Auf gar keinen Fall.«
    »Ganz, ganz bestimmt nicht?«, säuselt sie weiter.
    Ich denke an die Fotos, die von mir im Netz zu sehen waren.
    Sofort stecke ich meine Hand in meine Hosentasche. Da führe ich seit einiger Zeit eine Sicherheitsnadel bei mir. Immer, wenn es ganz schlimm wird, öffne ich die und pikse mir in eine Fingerkuppe. Das tut so weh, dass sogar die Angst die Luft anhält. »Ganz bestimmt nicht! Wofür sollte ich modeln? Als Anreiz für kosmetische Operationen?«
    »Eigentlich solltest du für mich modeln.«
    »Hä?«
    »Ich habe ein klitzekleines Problem. Nächste Woche Samstag müssen wir einen Motto-Film abgeben. Die Note ist wichtig fürs Zeugnis. Also, die Wahrheit ist, ich dachte, dass der Film nächste Woche fertig sein müsste. Ich habe mich allerdings um eine schlappe Woche vertan. Und deswegen muss ich jetzt etwas umdisponieren.«
    Umdisponieren! Sie meint wohl eher improvisieren.
    »Du hast also den Abgabetermin verbaselt und ich soll deswegen mein Gesicht oder was weiß ich in deine Kamera
halten? Glaubst du im Ernst, das bringt dir eine Note, die du auf deinem Zeugnis haben möchtest?«
    »Du wirst ja kaum zu sehen sein. Nur ganz, ganz kurz. Eigentlich gar nicht.«
    »Das wird den Zuschauer freuen.«
    »Nein, nein. Alle Darsteller werden nur ganz kurz zu sehen sein. Das wird ein ganz, ganz schnelles Ding. Wo die Bilder ganz irre schnell aufeinanderfolgen. So zack, zack, zack.«
    Zack, zack.
    Genau das ist Luise.
    »Okay, dann mach dein schnelles Bild von mir.«
    »So einfach ist es doch nicht. Der Film hat ja ein Motto.«
    »Und das lautet?«
    »Küsse.«
    Ich ziehe die Luft ein. Sie glaubt doch nicht wirklich, dass ich irgendjemanden küsse, nur damit sie das fotografieren kann?
    Luise hebt beruhigend die Hand.
    »Es geht um Küsse allgemein. Ich habe ja auch schon ganz viele Bilder. Aber es sind noch zu wenig. Ich habe schon mehrere Mütter, die ihre Kinder küssen. Ich habe sogar ein kleines Mädchen und einen kleinen Jungen, die sich ansabbern. Natürlich habe ich auch schon ein paar knutschende Jugendliche. Und eine alte Frau, die ihren Hund original auf die Schnauze küsst. Ich habe sogar ein paar Schwule, die sich mächtig ins Zeug gelegt haben. Aber das reicht von der Menge noch nicht. Wenn die Fotos nur ganz kurz zu sehen sein sollen, ist mein Film nach zwanzig Sekunden vorbei.«
    »Und deswegen soll ich mich jetzt von irgendjemand küssen lassen? Nur damit du auf dreißig Sekunden kommst und ich mich eine Ewigkeit ekele?«
    »Meine Güte, Linda, ich will keinen Porno drehen. Du
kannst doch wohl mal eine Kusshand in die Kamera hauchen, oder? Und dir von Opa einen Handkuss geben lassen. An so was dachte ich.«
    »Ich könnte auch mit rotem Lippenstift einen Knutschmund auf den Spiegel machen.«
    »Geilo. Genau. Ich sehe schon, du bist nicht nur ein Model. Du bist auch Drehbuchautorin. Ich werde dich bei meiner ersten Laudatio erwähnen.« Sie nimmt meine Hand und versucht mich vom Bett zu zerren. »Komm!«
    »Jetzt?«
    »Süße, wenn ich Zeit hätte, müsste ich bei dir nicht so rumschleimen.« Sie grinst mich an.
    Ich tue beleidigt. »Ich bin also nur ein Notnagel!«
    Sie lacht breiter: »Quatsch. Du bist einfach die Erstbeste.«
     
    Das Fotoshooting wird entgegen meinen Erwartungen witzig. Meine Eltern und mein Opa sitzen auch schon bereit. Zuerst ist es natürlich dämlich. Meine Mutter gibt mir einen Abschiedskuss an der Tür. Damit es echt aussieht, muss ich meine Jacke anziehen und eine Tasche in der Hand halten. Als meine Eltern sich küssen, wird es schon lustiger. Ich glaube schon, dass die sich öfter mal küssen. Wirklich sehen tue ich es nie. Mein Vater legt sich richtig ins Zeug. Plötzlich hört er auf.
    »Ich habe ein Idee«, flüstert er.
    Nach ein paar Minuten kommt er mit einem Plastikvampirgebiss zurück. Das hat er mal auf einer Karnevalsfeier getragen. Er steckt es sich auf die Zähne und beißt meiner Mutter in den Hals.
    »Wenn du oben anfängst, musst du unten aufhören! Wie wäre es, wenn du mir die Füße küsst?«, fragt sie daraufhin. Und mein Vater tut es. Er kniet sich vor sie und nimmt ihren Fuß in die Hand.

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